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Montag, 24. Juli 2006

Mein Elternhaus - Das Haus

Mein Elternhaus war ein großzügig geschnittener, vierstöckiger Altbau mit einem Vorderhaus und zwei Hinterhäusern. Ursprünglich befanden sich in dem Haus Etagenwohnungen mit zwei Bäder und zwei Eingängen, jeweils einer davon für die Dienstboten gedacht, die ihre kleine Schlafkammer gleich neben der Küche hatten. Da es zu meiner Zeit keine Dienstboten mehr gab, waren die Etagenwohnungen in zwei Wohnungen geteilt worden. Wir wohnten in einem Teil, der noch beide Eingänge hatte. Einen offiziellen und schönen mit einer großen Diele im Vorderhaus und einen "Dienstboteneingang" im Hinter-, bzw. Mittelhaus, über den man auf den Hof oder in das nächste Hinterhaus gelangte und welcher sich am Ende eines engen und dunklen Korridors befand, von welchem man Zutritt zur Küche, dem "Dienstbotenbadezimmer", was nun ein reguläres war und zu der kleinen Schlafkammer hatte.

Im letzten Hinterhaus gab es nur eine einzige bewohnte Wohnung ganz oben unter dem Dach. Im Erdgeschoß lag dagegen der Kindergarten, in welchen ich gegangen bin, und dazwischen im zweiten und dritten Stock erstreckten sich große Gemeindesäle, wo solche Veranstaltungen wie Christenlehre, Konfirmandenunterricht, Weihnachtsfeiern, Bibelkreise und Kirchenchorsingen stattfanden.

In der einzigen Wohnung lebte ein älteres Ehepaar, von dem ich mich dunkel entsinnen kann, dass es neben dem Kindergartenspielplatz, auf welchem ich mit meinen Freunden auch dann spielte, wenn kein Kindergarten war, da meine Eltern einen Schlüssel dazu vom Hausmeister bekommen hatten, auf einem Gelände, wo später nur noch eine große Baugrube prangte, einen kleinen Schrebergarten besaß. Diese Gärten wurden ziemlich früh alle platt gemacht und danach war dort gar nichts mehr, obwohl es immer so aussah, als ob etwas gebaut werden sollte. Die Baugrube war jedoch stets so voll Wasser, dass im Winter sämtliche Kinder der Umgebung auf ihr Schlittschuh liefen. Von den Gärten blieben nur die Brombeersträucher am Zaun, die wir im Sommer stets fleissig abernteten, was allerdings etwas mühselig war, da wir dazu unter dem Zaun durchkriechen mussten.

Ganz früher, als es die Gärten noch gab und ich sehr klein war, existierte außerdem in der Mauer, die den Kindergartenspielplatz nach einer Seite hin abschloß, ein Durchgang zu einem Kohlenhof. Wenn wir auf dem Spielplatz spielten was eigentlich Sommers wie Winters ständig der Fall war, konnten wir regelmäßig den alten Mann beobachten, wie er mit einer leeren Kiepe dort hindurchging und mit ihr voll beladen mit Kohlen wieder zurückkehrte, sie mühselig auf dem Rücken tragend und nach oben schleppend. Irgendwann kam er nicht mehr. Danach wurde der Durchgang nie mehr genutzt. Von meine Eltern erfuhr ich durch die Gespräche bei Tisch, dass er einen Schlaganfall hatte und nun, völlig gelähmt, von seiner Frau in der Wohnung unter dem Dach gepflegt wurde. Die Frau war immer sehr nett zu uns Kindern, winkte oft von oben aus dem Fenster und warf uns dann Bonbons hinunter.

Die Wohnung unter unserer eigenen war die Küsterwohnung. In ihr lebte zuerst ein Herr H., welcher ziemlich korpulent war. Ich kann mich erinnern, dass mein Vater oft zu ihm in seinem Büro Plaudern ging und mich mitnahm. Ich bekam dann immer ein Solitaire-Spiel verpaßt, mit dem ich spielen sollte und es auch tat, ohne es zu können. Eines Tages klingelte es an unserer Tür und zu dieser Zeit hatte ich noch die Angewohnheit, schneller als meine Eltern dort zu sein und durch den Briefschlitz zu schmulen. Natürlich bekam das jeder, der vor der Tür stand mit, ebenso wie das, was ich sagte, aber dies war mir bis zu diesem Zeitpunkt nicht bewußt. Also schrie ich lauthals, als ich den Klingler identifiziert hatte: "Der dicke, fette Herr H.!".
Meinem Vater war das furchtbar peinlich und als er die Tür öffnete, fragte er gleich verlegen lachend, ob er das gehört habe. Die Antwort bekam ich nicht mehr mit, denn völlig bedröppelt von der plötzlichen Erkenntnis, dass Hr. H. das mitbekommen haben könnte, verkroch ich mich in meinem Kinderzimmer.

Und da fällt mir ein, dass vor dem Hr.H. noch jemand in der Wohnung gelebt haben muss, denn ich kann mich an ein schwarzhaariges Mädchen erinnern, welches mit mir zusammen in meinem allerersten Zimmer, der Dienstbotenschlafkammer, den Kachelofen mit Abziehbildern dekorierte, wenn man es denn so nennen will. Ich kann da allerhöchstens zwei bis drei Jahre alt gewesen sein, denn zu dieser Zeit passte ich noch vollständig mit Kopf und allen Gliedmaßen in die Kommode, welche in diesem Zimmer stand. Das weiß ich deshalb so genau, weil wir, wenn mein Spielfreund zum Spielen bei mir war, kurzerhand alle Sachen hinaus schmissen, und uns selbst in das Schrankfach falteten. Da die Kommode noch bis zu meinem Auszug Bestandteil meiner Zimmereinrichtung war, fragte ich mich später so manches Mal, wie sowas möglich sein kann, dass es eine Zeit gab, wo ich in dieses kleine Fach hineingepasst habe.

Später zog in die Küsterwohnung die nachfolgende Küsterin mit ihrem Mann und zwei Kindern ein, von welchen eines meine neue Spielfreundin werden sollte. Sie war zwar etwas jünger, etwas pummelig, aber für ihr Alter immer ziemlich weit. Außerdem trug sie genau denselben Namen wie ich. Damit es zu keinen Verwechslungen kommt, behielt ich auf gemeinsamen Beschluß aller Kinder des Hofes meinen schon eingeschliffenen Spitznamen "Sanne", während sie nur noch "Susi" gerufen wurde.

In der Wohnung über uns wohnte früher ein alter Pfarrer mit seiner Frau. Der Pfarrer hatte die Angewohnheit manchmal, wenn wir auf dem Hof spielten, aus dem Fenster zu schauen und eine Krähe nachzuahmen, die laut krächzt, oder auch eine Taube, Uhu bzw. was ihm sonst so einfiel. Das fanden wir natürlich sehr lustig. Ziemlich früh und plötzlich ist er gestorben und ab da lebte die Frau Sch. viele Jahre alleine in der großen Wohnung. Ab und zu bekam sie in den Ferien Besuch von ihrem Enkelsohn, mit dem ich auch sehr gerne spielte. Mit ihm konnte ich nämlich gut rangeln, was ich mit M., meinem "Hauptfreund", nicht konnte, da er so weichlich war. Allerdings fand ich bald seine Begeisterung für Körperkontakt etwas übertrieben, denn jedesmal, wenn ich beim Ringen auf ihm lag, rief er sowas wie "Oh, das war toll! Wollen wir das nochmal machen?" Seine Oma buk uns manchmal leckere Kartoffelpuffer und brachte sie uns mitsamt einer Zuckerdose auf den Hof, wo wir sie brüderlich miteinander teilten.

Fortsetzung folgt

Die Geschichte, die NICHT "Das Geheimnis des Zarengoldes" heißt - Teil 27

Die Entfernung zwischen „Sturmvogel“ und „Wasilissa“ dagegen verringerte sich sehr viel langsamer, aber zunehmend. Schon konnte man mit bloßem Auge die Mannschaft sehen, die geschäftig an Bord des Kanonenbootes umherwuselte. Auch diese hatten den fremden, auf sie zusteuernden Dreimastschoner bereits im sich lichtenden Morgendunst entdeckt. Eine wärmende Sonne strahlte nun ungehindert auf das smaragdfarben schimmernde Meer hinunter. Peter hockte trübsinnig in einer Ecke auf dem Deck und starrte auf einen krummen Nagel, der aus der Bordwand ragte. Ein hagerer Schatten fiel über ihn und der Schiffsjunge blickte auf.
„Warum hast du zugestimmt?“ Die blauen Augen von Wilfrid Zeew schauten ihn fragend an.

„Ich, ich konnte nicht anders.“ stotterte Peter. „Er hat gesagt, er wirft mich sonst über Bord.“

„Wer?“

„Na der Käpt’n.“

Zeews Augen verengten sich und auf seinem Gesicht erschien eine gläserne Härte. Dann setzte er sich neben Peter auf das Deck und schwieg. Er suchte nach etwas an seinem Gürtel und reichte dem Schiffsjungen schließlich ein Messer.

„Nimm das. Du wirst es drüben brauchen können.“

Peter bedankte sich und wurde ein klein wenig rot. Das Messer hatte einen Elfenbeingriff, in den etwas eingraviert war, und machte den Eindruck, schon oft benutzt worden zu sein. Vielleicht war es ein Andenken. Peter fühlte sich heimlich hingezogen zu dem schlaksigen jungen Mann. Nicht erst jetzt, auch früher schon hatte er ihn beobachtet und gefunden, dass er völlig anders war als die meisten auf dem Schiff. Man merkte ihm an, dass er eine gute Bildung und Erziehung genossen hatte, und im Gegensatz zu den anderen Männern schien er einigen moralischen Grundsätzen zu folgen. Trotz seines unübersehbaren Ehrgeizes gepaart mit einem manchmal etwas arrogantem Auftreten, wirkte er nie gierig und dachte in jeder Situation stets auch an die ganze Mannschaft. Und nun fasste der Schiffsjunge Vertrauen zu ihm.

„Woher kommst du?“ fragte Peter seinen älteren Freund.

„Aus Holland.“ antwortete der einsilbig.

„Und deine Familie?“

„Tot.“ Peter schauderte bei dieser Antwort, obwohl er dasselbe Schicksal mit ihm teilte. Doch im Munde eines anderen hörte es sich grauenhafter an, als er es selbst empfand. Der Schiffsjunge wagte nicht genauer nachzufragen und Zeew blieb stumm, bis er mit einem Mal anfing zu erzählen.

„Mein Vater war ein holländischer Kaufmann und kreuzte mit mir und meiner Mutter vor Madagaskar, um dort eine neue Existenz aufzubauen, als wir auf das Piratenschiff trafen. Sie töteten alle, mich nahmen sie mit. Ich wurde ihr Schiffsjunge, so wie du es jetzt bist. Ich glaube, ich bin der einzige, der überlebt hat.“

„Und du bist hier geblieben?“

„Wo hätte ich sonst hin sollen?“

Ja, wo hätte er sonst hin sollen, wo sollte Peter sonst hin? Er konnte wieder in Sansibar betteln gehen und gerade im Moment wäre er nirgendwo lieber gewesen als dort. Er wäre zwar alleine, ohne die fragwürdige Sicherheit der „Familie“, die ihn nun in Form der Schiffsmannschaft umgab, aber wahrscheinlich würde er dafür den nächsten Sonntag noch erleben.

Völlig in ihre eigenen Gedanken versunken saßen beide da und starrten vor sich hin, während das Leinen der Segel in vertrauter Weise leise und unrhythmisch gegen die Taue klatschte.