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Mittwoch, 2. Februar 2011

Blick vom Nymphenbad auf die Semperoper Dresden

Blick vom Nymphenbad auf die Semperoper Dresden

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Manche behaupten, die besten Geschichten seien die ohne Worte. Aber diese Leute sind nicht zum Leuchtturmwärter ausgebildet. Es stimmt schon, dass Worte flüchtig sind und wichtige Dinge oftmals ungesagt bleiben. Die wichtigen Dinge erfahren wir aus Gesichtern, aus Gesten, aber nicht von unseren gehemmten Zungen. Die wahren Dinge sind oft zu groß oder zu klein, jedenfalls immer in der falschen Größe, um in die Schablone unserer Sprache zu passen.
Das weiß ich. Aber ich weiß noch etwas anderes, denn ich bin zum Leuchtturmwärter ausgebildet. Dreht man den täglichen Lärm runter, breitet sich erst erleichterte Stille aus. Und dann kehrt ganz leise, so leise wie das Licht, der Sinn zurück.
Worte sind derjenige Teil der Stille, der ausgesprochen werden kann.

(aus "Der Leuchtturmwärter" von Jeanette Winterson)

Traumsplitter

In einer Klinik liege ich im Bett. Ein Physiotherapeut, bei dem ich noch nie war, betritt das Zimmer, um mit mir zu arbeiten. Dazu soll ich mich hinstellen. Erst als ich stehe merke ich, daß ich völlig nackt bin. Das ist mir irgendwie unangenehm, scheint aber dem Physiotherapeuten nichts weiter auszumachen. Er stellt sich hinter mich und beginnt sehr sanft verschiedene Stellen zwischen den Rippen, an den Flanken und im Schulterbereich zu drücken. Massage kann man es eher nicht nennen, vielleicht ist es ja dieses Therapeutic Touch, von dem ich aus einigen Krankenhäusern gehört habe. Die Berührungen sind fast zärtlich und an sich angenehm, allerdings fühle ich mich vielleicht gerade deshalb in dieser Situation noch angespannter. Schließlich legt er seine Arme von hinten um meine Schultern und drückt mich wie in einer Umarmung an sich. Ähm, gehört das jetzt zur Therapie? Wenn das jemand sehen würde, könnte dieser jemand vielleicht denken, der Physiotherapeut sei in mich verliebt. Und prompt kommt eine Ärztin herein und betrachtet die Dinge tatsächlich sehr mißtrauisch. Ich fühle mich nackt in dieser Situation so unwohl, daß ich am liebsten im Erdboden versinken würde, doch den Physiotherapeuten scheint nichts aus der Ruhe zu bringen.
Irgendwo auf der Straße liege ich auf dem Rücken und umklammere Puschel und noch irgendetwas, vielleicht ein Kissen. Warum ich das tue, weiß ich nicht, vielleicht aus Protest. Ein sehr junger Mann, der noch zur Schule geht, bewegt mich schließlich dazu, aufzustehen und mich mit ihm an einen Tisch zu setzen. Dort unterhalten wir uns über Klinik-Physiotherapeuten. Er möchte, daß ich meinen Namen und meine Adresse auf ein großes, mit allem möglichen Müll vollgeklebtes Blatt schreibe. Ich suche eine freie Stelle und schreibe spontan "Verlagswesen". Huch, aber so heiße ich doch gar nicht. Wieso schreibe ich dieses Wort, wenn ich meinen Namen schreiben möchte? Völlig irritiert suche ich eine andere freie Stelle und schaffe es unter größter Konzentration meinen richtigen Namen auf das Papier zu bringen.