Alien
Es ist eine neuere Version von  AlienInsideTwoday  verfügbar!  Aktualisieren  Jetzt nicht!
© 2018-2023 NeonWilderness

Balkongespräche

Irgendwo höre ich eine junge Frau laut auf dem Balkon telefonieren. Und wie es in unserem Block so ist, versteht man im Hof jedes Wort. So bekomme ich unfreiwillig mit, wie sie jemandem über ihre Bekannte erzählt, welche sich an ihrem Geburtstag die Hucke voll gesoffen und gekifft hat, später im Krankenhaus gelandet ist und schließlich noch Ärger mit der Polizei bekam, weil der Alkohol geklaut war. 'Seltsam, was manche Leute für Bekanntschaften haben können', wundere ich mich still. Danach merke ich, daß die Frau unterbrochen wird und der Reaktion entnehme ich, daß es von einem Kind ist. Von dem Kind ist zwar selbst kaum etwas zu hören, aber sie reagiert sehr ungehalten: "Sei ruhig! Man mischt sich nicht ein, wenn große Leute miteinander reden! Ruhig jetzt!" Noch einmal eine kaum hörbare Unterbrechung und die wütende Reaktion der Frau: "Ich hab dir doch gesagt, daß man nicht spricht, wenn Große miteinander reden. Sei ruhig!" Schließlich eine dritte leise Unterbrechung und die gebrüllte Antwort: "HALT DIE FRESSE!" Alles klar - denke ich so bei mir, - und alle Fragen beantwortet.
Chutzpe - Sa, 23:34

Könnten Bekannte von mir sein.

Wer,

die Frau, die telefoniert, oder die, die sich die Birne weggesoffen hat?
Chutzpe - So, 00:02

Die letztere - die wenigen meiner Bekannten, die Kinder haben, wissen wie man die behandelt.

Ich hab zwar

keine Kinder, aber ich kenne es aus meiner eigenen Kindheit und ich finde nicht, daß man Kinder so behandeln sollte. Gut, mein Vater kannte es von seinen Eltern auch nicht anders, aber es ist wirklich abartig, daß sich sowas noch bis heute von Generation zu Generation fortpflanzt.
Chutzpe - So, 00:17

Bei uns wars nochmal anders, doch sowas ist für mich auch ein No-Go. Was ich allerdings auch nicht abkann, ist dieses um die Kinder rum scharwenzeln und alles x Mal begründen. Das funktioniert meiner Erfahrung nach erst ab einem gewissen Alter.

Also ich meinte schon die betrunkene Kifferin, die zu meinem Umfeld gehören könnte.

Klar,

im Trotzalter funktionieren Erklärungen weniger, aber ich denke, Autorität kann man auch anders zeigen.

Achso, hatte ich falsch verstanden.
Chutzpe - So, 00:29

Im Trotzalter ist eh nichts zu wollen, doch auch bis ungefähr Schulbeginn muss man nicht minutenlang quatschen, sie müssen erstmal lernen, das sie zu tun haben, was man sagt und das geht ohne viel Gezeter, wenn man es von Anfang an durchzieht - bis sie zur Schule müssen, muss das sitzen, dann ist der Rest nur halb so schwer als wenn man sich nie kümmert. Hab ich schon mehrmals beobachtet.
Namesi (Gast) - So, 01:11

Auf keinen Fall

werde ich auf der Balkonnachbarmutter rumhacken, auch wenn sie zum Schluss, halt die Fresse, gesagt hat. Wenn ich so zurück blicke, habe ich zwar das mit der Fresse meinen Kindern nicht zugemutet, was aber nicht heißt, dass ich nicht auf andere Art in die dunklen Ecken der Erziehungskiste gegriffen habe; wegen Überforderung. Ich bin heute heilfroh, dass meine beiden Kinder anerkennen, dass ich mich bemüht habe und von mir kein Schuldeingeständnis meiner Erziehungsfehler einfordern. Veileicht haben sie meine Fehler ja gar nicht so gemerkt. Aber sie waren da, die Fehler, wahrscheinlich sogar massiv. Ich beobachte jetzt mit einer Mischung aus Zweifel, Vertrauen und Zuversicht die Lebenswege meiner Söhne. Meine Hoffnung: Keine Probleme, die mich aus der Ruhe bringen. Das ist ein verdammt weites Feld.

Zucker (Gast) - So, 12:39

Na wenn

deine Kinder trotz einzelner zweifelhafter Erziehungstricks keinen Knacks weg haben und trotzdem genug Selbstvertrauen mitbekamen, ist ja auch nicht wirklich ein Grund da, etwas vorzuwerfen. Überfordert ist jeder mal. Doch wenn man von solchem Erziehungsverhalten einen Knacks weg hat, mit dem man sein Leben lang kämpfen muß, um das Leben überhaupt auf die Reihe zu bekommen, sieht es schon anders aus. Klar kann man sehen, aus welchem Grund Eltern so handeln und auch einsehen, daß sie es so gut gemacht haben wie sie konnten, aber es bleiben trotzdem Bedauern, vielleicht auch manchmal Wut. Mein Vater ist ja inzwischen tot und ich hatte mich mit ihm längst innerlich ausgesöhnt, da ich später gesehen habe, daß er eigentlich ein kranker Mensch ist, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch und er hat mir irgendwann nur noch leid getan. Von meiner Mutter dagegen verlange ich keine Schuldeingeständnisse, im Gegenteil - sowas macht mich nur wütend, weil sie dann nämlich genau wieder in die Opferrolle hineinfällt, mit der sie mich als Kind dauernd manipuliert hat. Ich mußte irgendwann vor nicht all zu langer Zeit einsehen, daß ich in einer äußerlich intakten, fast heilen, aber innerlich dysfunktionalen Familie aufgewachsen bin und dies seine Spuren hinterlassen hat. Und ich möchte einfach nur, daß meine Mutter erkennt und anerkennt, daß das, was ich heute bin, sowohl mit den positiven als auch negativen Seiten und Problemen, ich auch durch sie und meinen Vater bin, während sie mir immer einreden wollte, daß alles allein meine Schuld sei, weil ich mich nicht genug anstrenge, mir keine Mühe gebe, nicht stark genug bin und als Kind nicht stark genug war, um mich von den Erziehungsmethoden meines Vaters nicht beeindrucken zu lassen. Meine Psychoonkologin hat mir erklärt, daß ich, wäre ich genauso stark gewesen und geworden, wie es meine Mutter von mir gefordert hat, ich innerlich gestört geworden wäre, weil ich meine Gefühle unterdrückt hätte. Sie sieht es gerade als meine Stärke, daß ich als Kind meinen inneren gesunden Kern und meine Empfindsamkeit bewahrt habe. Doch die Probleme, die ich heute dadurch habe, gelten allgemein und galten früher schon als Schwäche. So bleibt es nicht aus, daß es mich jedes Mal wieder erschüttert, wenn ich junge Eltern mit denselben Erziehungsmethoden beobachte, wie ich sie "genossen" habe.
bonanzaMARGOT - Mo, 19:52

ja, manchmal passt einfach alles ins bild. beinahe zu gut.

Manchmal

wünscht man sich, daß es nicht so einfach wäre.
bonanzaMARGOT - Di, 11:14

es ist auch nicht immer so einfach. kinder sind sehr abhängige wesen - und oft haben eltern die macht über sie, die mit ihrem leben selbst nicht im reinen sind.
was wir sehen, ist nur die spitze des eisbergs.
vielen eltern kann man nicht mal einen vorwurf machen. wenn nur jene kinder kriegten, die seelisch und geistig dafür gerüstet sind, dann wäre die menschheit schnell ausgestorben.

Trackback URL:
https://weltentanz.twoday.net/stories/balkongespraeche/modTrackback