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Künstler und ihre Ateliers

Es gibt Orte, die ich besonders gerne mag. Neben magischen Plätzen in Land oder Stadt, wie zum Beispiel der Elfenwald oder die Gegend um den Reichstag herum, gehören dazu auch Künstlerateliers. Sicher geht dies auf meine Kindheit zurück, in der ich regelmäßig ein solches besuchte. Alles fing damit an, daß meine Mutter mich im Alter von vier oder fünf Jahren an die Hand nahm und mit mir zu einer mit ihr befreundeten Künstlerin ging. Diese Besuche wiederholten sich ab da meist wöchentlich und auch, wenn es sich die ersten Male nur um Kaffeekränzchen handelte, waren diese Treffen bereits sehr aufregend für mich, was nicht nur an dem steinernen Elefanten lag, dessen man auf einem Spielplatz am Wege ansichtig wurde und auf dessen Rüssel man herunterrutschen konnte. Noch viel interessanter fand ich im Grunde die Wohnung der Künstlerin. Sie lebte in den Prenzlauer Bergen auf einem Hinterhof in einer Souterrain-Wohnung. Genauer gesagt waren es zwei gegenüberliegende Wohnungen, aber die zweite Wohnung diente ausschließlich als Lager, in welchem wundervolle Schätze aus ihrer Produktion lagerten. Wenn man die Wohnung betrat, mußte man zuerst einige Treppenstufen in den Flur hinuntersteigen. Schon der Geruch, der mir dort entgegenkam, war sehr anders als alles, das ich kannte. Es war so eine Mischung aus Papier, sehr viel Papier, und etwas modrig nach Keller und Leim. Die Küche sah mehr wie eine Werkstatt aus, denn sie hatte dort, weil sie nicht nur Grafiken anfertigte, sondern ebenfalls Handpuppen für ein Puppentheater, einen großen Bottich mit eingeweichten Papierschnipseln zu stehen, aus welchen sie Pappmaché herstellte. Die Räume der hohen Altbauwohnung kamen mir riesig vor, aber ich war ja auch klein, da erscheint einem alles viel größer. Der Wohn- und Schlafraum war ein ausgedehntes Durchgangszimmer mit immer warmem Kachelofen und deckenhohen Regalen voller Bücher, die von Skulpturen und ausgefallenen Steinen dekoriert wurden. Die ersten Treffen fanden ausschließlich in diesem Wohnzimmer statt, aber während ich auf dem Teppich mit dem Korb wundersamer Spielsachen spielte, welche sie von ihren Reisen zusammengetragen hatte, konnte ich doch immer mal wieder einen Blick durch die zweite Tür erhaschen, durch welche es zu ihrem Atelier ging. Und obwohl die Spielsachen sehr edel und besonders waren - ich erinnere mich an ausgesägte Holztiere und bunte Geduldsspiele -, machte mich das verdächtig unaufgeräumte Zimmer hinter dieser Tür sehr viel neugieriger. Als Kind, das schon frühzeitig gelernt hatte, keine emotionalen Bedürfnisse mehr zu äußern, ließ ich mir allerdings nichts anmerken, sondern wartete geduldig ab.

Nach einigen dieser Kaffeekränzchen war es soweit: Die Künstlerin betrat mit mir ihr Atelier und ab da begann meine erste Kunstausbildung. Ich konnte mich nie, wenn ich dieses Atelier betrat, an dem kunterbunten Chaos in allen Ecken satt sehen. Auf dem Boden blanke Holzdielen, fand ich die große Fußbodentür extrem spannend. Manchmal kippte sie die Tür zurück und stieg einige Stufen nach unten, wo sich anscheinend ein Keller befand. Das Fenster ging zur Straße hinaus, auf welcher die Leute vorübergingen und direkt in das große Atelierfenster schauen konnten, wenn nicht gerade die Vorhänge zugezogen waren. Mehrere große Zeichentische standen im Zimmer, die stets über und über von Zeichnungen und Skizzenbüchern bedeckt wurden. Auf der anderen Seite bildeten großformatige Kommoden, die als Aufbewahrung der Zeichnungen dienten, die Grundlage für Regale, die voller Stifte, Pinsel, Farben und halbfertiger Puppenköpfe waren. Alles erschien mir sehr fremdartig und schön, denn die Künstlerin hat wirklich bezaubernde Sachen gemacht, so wie die Karte unten, die ich von ihr bekam. Ich habe sie immer für ihren Fleiß, ihre Disziplin und ihre Akuratesse bewundert. (Sie war Steinbock!) Überall an der Decke und an den Regalen hingen bunte Puppen und Marionetten, sowie Unmengen von Zeichnungen, meist Kinderzeichnungen, an den Wänden. Eigentlich hätte ich liebend gerne einmal richtig ausgiebig in diesem Atelier herumgestöbert, wahrscheinlich hätte es Stunden gebraucht, um alles aufzunehmen und zu erfassen, aber dazu ist es nie gekommen, weil ich mit anderen Dingen beschäftigt wurde.

Anfangs war natürlich alles sehr kindgemäß. Da wurden Sterne geschnitten, gefaltet und geklebt oder kleine Stielpüppchen aus Pappmaché gebastelt und bemalt. Ich ging jede Woche sehr gerne dorthin. Ja, es war sogar so, daß ich, wenn wir eine Woche mal nicht ins Atelier gingen, sondern im Wohnzimmer blieben und ich mich mit den Spielsachen selbst unterhalten sollte, regelrecht enttäuscht war. Irgendwann dann, vielleicht einige Monate später, hatte sich die Künstlerin etwas besonderes für mich ausgedacht. Auf dem Zeichentisch stand ein bunter Sommerblumenstrauß in einer Vase und es lagen daneben Pinsel und Farben bereit. Ich sollte diesen Sommerblumenstrauß malen und ich war geschockt. Das erschien mir dann doch einige Nummern zu groß und ich warf verzagt ein, daß ich das nicht könne. Sie meinte, ich solle es versuchen, und da ich ein artiges Kind war, tat ich dies. Mit dem Ergebnis schien sie sehr zufrieden zu sein. Im nachhinein kam es mir immer vor, als sei die Aufgabe so eine Art Test oder Prüfung gewesen, denn ab da ging es jede Woche richtig zur Sache. Sie brachte mir einen Großteil der wichtigsten Techniken bei: Kohle, Pastell, Feder, Tusche, Aquarell, Gouache, Linolschnitt und sicher noch einiges mehr, an das ich mich nicht mehr erinnere. Sie zeigte mir, wie man Kohle- und Pastellzeichnungen fixiert, nämlich mit einem kleinen Pusteröhrchen und einem Fixativ. Ich mache das heute noch so, obwohl mir dabei total schwindlig wird. Da sie sehr gerne alles mögliche ausprobierte an kreativen Techniken, testeten wir einiges auch zusammen, wie Farbverläufe von verdünnten Ölfarben auf Papier oder ähnliches.

Leider durfte ich die Sachen, die ich bei ihr gemacht habe, selten mit nach Hause nehmen. Sie hat alles selbst irgendwo aufbewahrt, was ich jetzt manchmal schade finde, da ich es gerne nochmal anschauen würde. Die Künstlerin ist bereits verstorben und von diesen Dingen sicher nichts mehr aufzufinden. Wenn ich allerdings einmal etwas doch mit nach Hause nehmen durfte, hatte ich das Gefühl, es gefällt ihr nicht und das fand ich auch irgendwie doof.
Als ich später meine Mappe für die Kunsthochschule vorbereitete, besuchte ich sie manchmal und sie begutachtete meine Arbeiten, gab nützliche Hinweise und Tipps und bei einigen Gelegenheiten durfte ich mir sogar aus dem dicken Künstlerkatalog etwas aussuchen, das sie für mich mitbestellte. Die exquisiten Pinsel, die ich von ihr habe, hielt ich so in Ehren, daß ich sie bisher nie benutzt habe. Eigentlich eine ziemlich unsachgemäße Verwendung, die ihr sicherlich nicht gefallen würde, wenn sie das wüßte.

Künstler war für mich ein Beruf wie für andere Kinder Zahnarzt oder Rechtsanwalt - er war für mich von meinen Eltern angedacht. Ich denke, daß ich als Kind ziemlich privilegiert gewesen bin, so gefördert worden zu sein und ich glaube, meine Eltern wollten von mir, daß ich stellvertretend für sie Kreativität auslebe, da sie sich selbst das nicht oder wenig getrauten, mein Vater als Literat, der er eigentlich einmal werden wollte, und meine Mutter als Künstlerin, die sie eigentlich einmal werden wollte. Und es ist kein Wunder, daß sie sich das nicht getrauten, denn ihre Erwartungshaltungen waren immens. Für meinen Vater war sowieso nie etwas gut genug und meine Mutter hatte in ihrem vorurteilsbehafteten Halbwissen darüber, was man in der Kunst dürfe oder nicht, und mit dieser unendlich quälenden Trennung zwischen Ernst und Unterhaltung, so viele Regeln angesammelt, daß echte Kreativität kaum noch möglich gewesen ist. Ich war mit der Wahl meiner Eltern nicht unbedingt unglücklich, ich habe durchaus gerne gemalt, gezeichnet und gebastelt, doch diese kreative Unfreiheit und die hohen Erwartungen meiner Eltern, haben mir bald einiges an Freude daran genommen, weil ich sie für mich selbst übernahm. Irgendwann war ich nur noch unzufrieden mit dem, was ich machte, und schließlich tat ich es nach der Wende meinen Eltern gleich und hängte die Kunst an den Nagel, um mir einen sicheren Job zu suchen. Bis heute bin ich damit beschäftigt, mich von den kreativen Zwängen, Vorurteilen und Erwartungshaltungen meiner Kindheit zu befreien, doch die Kunst an sich läßt mich nicht los. Das ist wohl auch der Grund, warum ich generell etwas gegen Vorurteile, Dünkel und von ihnen abgeleitete Regeln habe. Ich schreibe schräge Gedichte, kleckse Farben aufs Papier und wenn sich mein innerer Kritiker dazu meldet, schaue ich mir das Ganze noch einmal genauer an und finde es gerade dann wundervoll, was ich da mache, selbst wenn das sonst niemand sieht, einfach nur deshalb, weil ich mir erlaube, es zu tun. Genauso wundervoll finde ich es, wenn andere Menschen kreativ ihr Ding machen, ganz egal, ob mir ihre Erzeugnisse gefallen und ich Zugang dazu bekomme oder nicht. Ich habe zwar vergangenheitsgemäß einen strengen und scharfen Blick, was konkrete Beeinträchtigungen betrifft, doch beglücke damit in der Regel nur Leute, die mich darum bitten, und selbst dann schmälert es für mich niemals den persönlichen Wert einer Leistung. Schließlich ist das, was man selbst als Fehler sieht, oft sehr subjektiv und macht für andere wiederum den Charme einer Sache aus, weshalb ich mich meist lieber auf das konzentriere, was ich als positiv empfinde. Bei mir selbst hat es etwas länger gedauert, bis ich das konnte, und bleibt ein stetiger Übungsprozeß. Es sollten sich viel mehr Menschen die Erlaubnis geben, ihre Fähigkeiten in Freiheit und Freude zu entwickeln, denn dann müßten sie andere nicht als Stellvertreter anheuern oder bestrafen, sondern könnten sich gegenseitig unterstützen.

An meine erste Mentorin habe ich aus einem bestimmten Anlaß heraus wieder gedacht, eine Reisebegebenheit, die mir nun, da ich bereit bin, es bewußt zu sehen, einiges erhellt. Und ich fand, es wird einmal Zeit, diesen Teil meiner Kindheitserinnerungen aufzuschreiben. Noch heute liebe ich Künstlerateliers, ihre Gerüche, ihr kreatives Chaos und diese unwiderstehliche Buntheit und Ideenhaltigkeit, die in ihnen herrscht.

FILE0573
Chutzpe - Fr, 14:03

(Psst - der Accent von Pappmaché geht auf die andere Seite)

Ich kann dich so gut verstehen.

Ich weiß das,

aber ich weiß leider nicht, wie ich ihn mit der Tastatur auf die andere Seite bekomme und hatte auch keine Lust, deshalb lange zu recherchieren. Vielleicht kannst du es mir ja sagen? ;o)
Chutzpe - Fr, 20:07

Darüber haben wir auch schon debattiert, ich kann dir den ASCII-Code geben - bei uns ist der é so auf der Tastatur, ebenfalls der é und à - sorry.

Ich rate dazu in solchen Fällen einfach das übliche Doppel-E zu verwenden, also Pappmachee.

Sorry,

vom ersten Teil verstehe ich kein Wort. Dieses verkehrte Accent mache ich immer, indem ich erst Großschreibung+Accent drücke und dann das e. Bei meinem Buch ist es mir gelungen, das Accent auch andersherum zu schreiben, allerdings habe ich ewig herumprobiert und wußte dann vor lauter Tastenkombinationen nicht mehr, welches die ausschlaggebende war. *gg*
Ich lasse das jetzt so, wird ja jeder wissen, was gemeint ist. ;o)
C. Araxe - Fr, 22:00

Also normalerweise ist das ja auf jeder gebräuchlichen Tastatur. Copy and Paste wäre im Einzelfall eine Option oder auch bei etwas komplizierteren Sachen in HTML (hier) So bekomme ich z. B. auch einen meiner Lieblingsregisseure wie Jan Švankmajer mit richtig geschriebenen Hatschek hin. Oder man hat schöne Symbole zur Auswahl wie ♥, † oder ☠.

Ja,

natürlich ist es auf meiner Tastatur, aber mir fehlt die Tastenkombination, mit der ich es über das e bekomme und das andere ist mir zu kompliziert. Copy und Paste wäre eine Option, werde ich gleich mal mit Chutzpes Accent ausprobieren.

So,

ich habe jetzt Chutzpes é hineinkopiert - hat funktioniert. Merci beaucoup! Ich hoffe, damit ist jetzt jeder zufriedengestellt. *gg*

Ich sollte

mir so eine Accent-Buchstabensammlung zulegen. Man weiß nie, wozu man das mal braucht.
Chutzpe - Fr, 22:27

LOL - via Word - Einfügen - Sonderzeichen geht das auch fix, mach ich oft so, wenn ich was spezielles brauche. Da wird auch immer der ASCII-Code mit angegeben (bei fast allen Zeichen).

Word

habe ich nicht und mit dieser komischen Windows-Zeichentabelle komme ich nicht klar. (Und was ist überhaupt ASCII?) Wenn ich das nächste Mal wieder einen Accent-Buchstaben brauche, hoffe ich, du leihst mir einen. ;o)
C. Araxe - Fr, 22:36

Noch ein Tipp. Wirklich auskennen tue ich mich mit HTML auch nicht, bin aber schon darauf angewiesen, weil twoday.net kein Safari unterstützt (also für Links, Bilder etc. brauche ich soundso HTML). Also wenn ich irgendwo etwas sehe, bei dem ich nicht weiß, wie man das hinbekommt, lasse ich mir den Quelltext anzeigen (rechte Maustase und dann ziehe ich mir den Code raus) oder ansonsten Self-HTML. Durchs Bloggen habe ich in dieser Richtung echt viel gelernt (bin ja sonst nur größtenteils im Print-Bereich unterwegs und für Web-Sachen mache ich nur das Layout, aber keine Programmierung.)
Chutzpe - Fr, 22:41

Worin schreibst du deine Briefe? Da wirds wohl eine Sonderzeichen-Sammlung drin geben...?

Also Word sagt Umschalt + ö

ASCII-Code-Tabelle z.B hier:
ALT + Zahlenkombination (scheinbar gibts den aber für é nicht, nur für É).
http://www.torsten-horn.de/techdocs/ascii.htm

Danke,ja,

das mit dem Quelltext oder Self-Html kenne ich durch das Bloggen auch. Hat mir schon viel bei diversen Blogumbauten geholfen.

@Chutzpe:

Ich schreibe in Wordpad oder Open Office (aber nur selten und kenne mich da deshalb nicht wirklich aus).
Blogeinträge im Smart Diary.
Und diese komischen Codes funktionieren bei mir nie, wenn ich sie ausprobiere, das hatte ich schon einige Male, wenn ich danach gegoogelt habe und mich bloß geärgert, weil ich damit Zeit verplempert habe.

Ha,

ich hatte gerade eine geniale Idee und habe mir das französische Tastaturlayout auf die Taskleiste gelegt, so wie ich es mit dem norwegischen Layout auch schon getan habe. Allerdings ist die Anordnung viel schwerer zu merken. Und kaum hatte ich das getan, bekam ich eine andere geniale Idee und tippte einfach Accent und e und voilà! Ich habe immer gedacht, ich muß noch eine dritte Taste dazu nehmen. Hoffentlich merke ich mir das jetzt.
g a g a - Mo, 02:46

Wann hast du den Wunderelefanten gezaubert?

Das war ich nicht,

das war meine Mentorin, die Künstlerin, von dessen Atelier ich berichte.

Von meinen eigenen Arbeiten hat sie wie gesagt alles selbst aufbewahrt, so daß ich heute davon nichts mehr besitze. Der Wunderelefant war eine Glückwunschkarte zum Geburtstag.
bloedbabbler - Do, 12:14

Ahoi zuckerwattewolkenmond

Das é erhältst du mit Accent Taste + e, das è mit Accent Taste und gehaltenem Shift.

Bei ganz doofen Wörtern tippe ich die kurz in google ein und dann ab damit per c&p in den Text der in einem normalen Texteditor (notepad++) wunderbar reinpasst, bei Word & Konsorten sollte man beim reinkopieren auf Text-only achten, sonst stört die übernommene Formatierung.

Ich hoffe du benutzt eine qwertz Tastatur und kein Handyeingabefeld. ;-)

Hallo bloedbabbler,

diese geheime Kombination hatte ich ja inzwischen durch einen sehr hellen Geistesblitz selbst herausgefunden, trotzdem danke für diese auffrischende Zusammenfassung für mein Gedächtnis.

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