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Sonntag, 2. Juli 2006

Neues aus dem Krankenhaus

Das Drama geht weiter. Ich habe noch NIE erlebt, dass irgendjemand irgendwann mal gesund und überhaupt lebend wieder aus einem Krankenhaus herausgekommen ist. Ehrlich. In meiner näheren Umgebung war das bisher niemals der Fall. Alle sind stets nur noch als Leiche herausgekommen, selbst im weniger fortgeschrittenen Alter, wenn sie nur wegen einem Beinbruch oder einem Routineeingriff dort waren, ok, bis auf ich selbst, aber ich war ja auch noch ein Kind. Kinder lassen sie vielleicht leben. Fast könnte man eine Verschwörung glauben. Bei meinem Vater glaube ich langsam auch nicht mehr daran, dass er nochmal aus dem Krankenhaus raus kommt. Sie haben ihm zwar zuerst das Leben gerettet, aber die ganzen Sachen die jetzt danach kommen, sind so glaube ich, dem Koma und der Vielzahl an Narkosen und Medikamenten zu danken.

Jedenfalls macht jetzt sein Herz schlapp, er hat ständige Aussetzer und Herzstillstände, so dass die Ärzte meinten, er bräuchte einen Herschrittmacher. Dies hat mein Vater aber zuerst abgelehnt. Die Ärzte haben ihn sogar einige Tage festgebunden, weil er sich immer die Schläuche rausgerissen hat. Meine Mutter hat dann noch einige Male versucht, mit ihm zu reden, aber er hat überhaupt nicht reagiert, so dass die Ärzte schließlich einen Psychiater beauftragten, ein Gutachten zu fertigen. Dieser kam und stellte meinem Vater mit dem Laptop Fragen, der hat auch gelesen, aber dann die Augen wieder zugemacht und erneut nicht mehr reagiert. Für den Psychiater war das ein klares Zeichen, dass er nicht mehr für sich selbst entscheiden kann und ein dementsprechendes Gutachten verfasst, was nun bei einem Richter auf dem Tisch liegt. Ich glaube das allerdings nicht und meine Mutter auch nicht. Am nächsten Tag war mein Vater hellwach und als ihm meine Mutter einen Zettel hinhielt, auf dem stand, dass er mit einem Herzschrittmacher einverstanden ist, hat er ihn unterschrieben und auch alles verstanden, was man ihm erklärt hat. Ich denke wie auch meine Mutter, dass er einfach manchmal absolut abschaltet, weil er nicht entscheiden will und dann alles von sich schiebt oder so tut, als kriege er nichts mit. So hat er es früher schon immer gemacht, als er noch gesund war und der Oberarzt meinte ebenfalls, dass er manchmal den Eindruck hat, mein Vater höre viel besser, als er zugibt.

Nun hat er also am Donnerstag den Herzschrittmacher erhalten und jetzt bekommt er auf einmal so seltsame Schüttelanfälle. Als meine Mutter das das erste Mal gesehen hat, war sie ganz erschrocken, weil seine Augen verdreht waren, sein Mund offen stand und er am ganzen Körper zitterte. Als sie die Ärzte fragte, was das ist, konnten sie das nicht sagen und vermuteten irgendwas von Parkinson. Also mir kann keiner erzählen, dass jemand von heute auf morgen plötzlich Parkinson kriegt. Wäre ja erstaunlich genug, was für nette Krankheiten man so mir nichts dir nichts plötzlich noch im Krankenhaus dazu kriegt. Ich glaube eher, dass sein Gehirn inzwischen unter den vielen Narkosen stark gelitten hat, vielleicht haben sie ihm ja noch zusätzliche Beruhigungsmittel gegeben, wenn er randaliert hat. Was die da alles in ihn rein pumpen würde ja nicht mal ein Pferd verkraften. Ich kenne einen Fall einer älteren Frau die noch vollkommen rüstig und beisammen war, als sie ein neues Hüftgelenk bekam. Kurz darauf brach sie sich aber das Bein und wurde gleich noch einmal operiert. Dann war man im Krankenhaus der Meinung, dass man ihr auch noch die Gallenblase herausnehmen müsse und irgendetwas anderes. Im Ganzen waren es vier Operationen kurz hintereinander - danach war die Frau vollkommen dement. Sie haben sie also nicht tot operiert, sondern "nur" dement.

Meine Mutter hatte ein Gespräch mit der Krankenhausseelsorgerin in dem sie ihr die ganze Situation schilderte, auch die aggressiven Ausfälle meines Vaters. Diese meinte, dass dies ein Zeichen sei, dass er noch kämpfe. Leute die sich vollkommen aufgegeben haben, werden meistens absolut ruhig und still. Denselben Eindruck habe ich ebenfalls, nämlich dass er zwar denkt, nicht mehr leben zu wollen oder zu können, aber auch nicht sterben will oder kann. Ich glaube, wenn er wirklich sterben wollte, wäre er schon längst nicht mehr da, dann hätte er nicht mehr diese riesige Lebenskraft aufgebracht, um bis hier her alles zu überstehen.
Wir haben zu meiner Mutter heute gesagt, nachdem wir wieder einen ganzen Korridor voller Müll weggeschafft haben, dass sie jetzt endlich etwas kürzer treten und auch an sich denken soll. Sie ist immer noch am Aufräumen und Aussortieren, obwohl das Schlafzimmer fertig ist. Doch nun hat sie sich auch noch das andere Zimmer vorgenommen, obwohl das nicht wirklich wichtig ist, weil da keiner rein muss. Das kann sie sich also eigentlich ganz in Ruhe vornehmen, oder wie K. meinte: "Du wirst früh genug merken, dass dir der Müll nicht wegrennt."
Ansonsten hat sie jetzt ein eigenes Girokonto beantragt und ich habe mit ihr den Änderungsantrag für die Rente ausgefüllt, damit wenigstens die sicher hat, wenn das Konto meines Vaters gesperrt wird, falls ihm was zustößt.

Gebe Gott, dass ich nie wieder in meinem Leben in ein Krankenhaus muss. So langsam entwickle ich eine Allergie gegen die, gerade wenn ich sehe, dass nie jemand, der älter als 50 ist, daraus lebend oder gar bei klarem Verstand zurückkommt. Obwohl genaugenommen habe ich die Allergie schon durch meine beiden Krankenhausaufenthalte als Kind. Ich hoffe es bleiben meine letzten.