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Freitag, 29. August 2008

Die Gedichte meines Vaters | 2

Du und das Zitherspiel-
dass es das noch gibt!
Verloren der Welt
wer nicht liebt.
Süsse Melodien
den zarten Händen entsprungen-
es war
als ob ein Engel gesungen.
Ich seh' deine Hand
über die Saiten
sanft zupfend gleiten
und mit herrlichen Tönen
dieser Welt mich versöhnen.
Dass es das noch gibt
in dieser Zeit-
und ich glaubte das Glück
so weit!

Ich erinnere mich, daß mein Vater in meiner Kindheit, einmal mit einer Zither ankam. Ich weiß nicht genau, woher er sie hatte, aber schätze, daß er sie von einem verstorbenen Gemeindemitglied geerbt hatte, so wie ihm oft Bibeln, Bilder oder Kunstgegenstände vermacht wurden. Über mehrere Jahre stand zum Beispiel ein "dicker Schinken" in unechtem Goldrahmen unter unserer Dielenkonsole, der einen in Andacht versunkenen Einsiedler zeigte und niemand wußte wohin damit, zumal meine Mutter sich standhaft weigerte, ihn in der Wohnung aufzuhängen. Zur Zither gehörte ein Packen Papiereinlagen, welche man unter die Saiten legen und so sehr einfach verschiedene Lieder und Melodien nachspielen konnte, indem man einfach die eingezeichneten Noten zupfte. Das Gedicht muß vor dieser Zeit entstanden sein. Mein Vater konnte sich schon immer für das Zitherspiel begeistern. Einer seiner Lieblingsfilme war "Der dritte Mann" und sobald irgendwo jemand Zither spielte, war er Feuer und Flamme. Ich frage mich, ob wohl die im obigen Gedicht besungene Situation Ursache dafür ist. Jedenfalls versuchte er tatsächlich eine gewisse Zeit lang, das Zitherspielen zu lernen. Irgendwann gab er es auf und die Zither verschwand wieder. Ich glaube, sie wurde verschenkt.

...

Goethes Interpunktion, bei Hecker nicht rein original wiedergegeben, wurde hier weitgehend beibehalten. Und dies nicht einer leeren äußeren Treue wegen, sondern weil der Dichter, wie man beim Lesen schnell verspüren wird, mit seinen Zeichen das Gedankengefüge und den Vortrag der Sprache sehr wohl bedacht und höchst sinnvoll phrasiert. Diese Deutlichkeit würde durch die moderne, sich auf bloße grammatikalische Sachbestände stützende Interpunktion verwirrt und zerstört werden.
(aus: "Goethe - Maximen und Reflexionen")

Goethe müßte man sein...

Aus der Rubrik "Wie man von einem Vogel zu einer Flunder wird"

Auf der Straße, direkt an der Ampel, lag heute ein toter Vogel, wobei das Wort "tot" die Situation nicht hundertprozentig trifft, denn genaugenommen war er platt wie eine Briefmarke. Wenn nicht obenauf eine ebenso platte Vogelkralle sichtbar gewesen wäre, hätte man ihn nicht mehr als Vogel erkannt, sondern sich gefragt: "Was klebt denn hier für Dreck?" Aber ich schätze mal, dem Vogel ist es längst egal und ich hoffe für ihn, daß er nicht in den Katzenhimmel gekommen ist.