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Dienstag, 19. November 2013

Independence Day

Als sie das Haus verließ, war es ein Tag wie jeder andere. Ungefähr einhundert Schritte lang. Dann sperrten hinter der Eckkneipe bunte Bänder und Barrieren über die gesamte Strecke einen Teil der Straße ab und ein Hinweisschild warnte vor offenem Feuer wegen durchzuführender Bauarbeiten an den Gasleitungen. Wenige Schritte weiter stand ein Schweißer in der Grube und die Funken sprangen so lustig, daß man sie fast juchzen hören konnte. Sie hatte es eilig, an den Absperrungen vorbeizukommen und beschleunigte ihre Schritte. Vor der Kinderkrippe am Ende der Straße saßen die Kinder fröhlich in zwei großen Wagen und eine der Erzieherinnen redete laut mit ihnen. Sie wunderte sich, warum sie nichts verstand, bis ihr auffiel, daß es Englisch war.

Die breite Hauptstraße erreichend, vernahm sie ein immer stärker anschwellendes Donnern, bis schließlich ein Hubschrauber mit den Schriftzügen des ADAC auftauchte, und nur knapp über den Dächern seine Kreise zog. Auf der Straße erstarrte das Leben. Mit aufgerissenen Mündern schaute man auf den Hubschrauber, Arme wurden nach oben gestreckt und ein Postbote, der gerade mit einem Paket an einer Tür hatte klingeln wollte, legte dieses bedacht auf einen Sims und kramte in seiner Jacke nach einer Kamera, deren Objektiv er gebannt auf den Hubschrauber richtete. Das Paket war vergessen. Sie lief einfach weiter und der Hubschrauber verschwand hinter einem Fabrikgebäude.

Die Stunde in der Turnhalle verging wie im Flug, so schnell war die Zeit beim Sport noch nie vorüber. Sie schob es auf ihre wachsende Kondition. Als sie auf dem Nachhauseweg den Eingang eines Kindergartens kreuzte und zwei Erwachsene sowie einige Kindern passierte, die Englisch miteinander sprachen, fragte sie sich, ob ihr etwas entgangen wäre und die Kinder heutzutage bereits ab der Kinderkrippe die englische Sprache erlernen. Vor dem Hauptpostamt dagegen begegnete ihr die kleine, bebrillte Frau, die sonst hinter dem Schalter stand, während sich nun die Menschen an den Scheiben des verriegelten Gebäudes die Nasen platt drückten. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wann das Postamt das letzte Mal tagsüber geschlossen gewesen war. Der Supermarkt erschien ihr merkwürdig still und leer. Gegen Mittag drängten sich hier sonst die Halbwüchsigen aus der benachbarten Schule um die Kuchentheke und an den Kassen. Nur der Apotheker ihrer Stamm-Apotheke lief ihr über den Weg als sie versonnen in das Käseregal blickte.

Mit ihren Einkäufen erreichte sie wieder die Wohnung und schloß kopfschüttelnd die Tür hinter sich. Was für ein seltsamer Tag! Äußerst eigenartig! Sie zerbrach sich auch noch den Kopf über die absonderlichen Begebenheiten der letzten Stunden und was diese zu bedeuten hatten, als sie das Fenster öffnete und die menschenähnliche, graue Kreatur mit den großen irisierenden Insektenaugen zum Nachmittagstee in die gemütliche Wohnstube bat. Wie gewöhnlich an jedem Tag.

(Ok, wenn ihr euch die graue, menschenähnliche Kreatur wegdenkt, wißt ihr, wie mein Tag war - voller winziger verstörender Details, die mein Gehirn sofort zu einem Independence Day kombinierte.)