Alien
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Ehrlich,

ich habe mich noch nie so allein gelassen gefühlt wie jetzt. Also nicht körperlich, denn sehen will ich sowieso niemanden, mehr seelisch, moralisch und überhaupt. Wenn ich mich früher mit eigener Kraft aus diversen Sümpfen gezogen habe, gab es zumindest im Hinterkopf noch die schwebende Möglichkeit, professionelle Hilfe zu beanspruchen. Heute weiß ich, daß psychologische Hilfe für Krebspatienten wohl eher Illusion ist und mehr einer Indoktrination gleicht. Überhaupt scheint es mir, daß man als Krebspatient nirgendwo mehr dazugehört - nicht mehr zum Reich der Lebenden, aber auch noch nicht zum Reich der Toten. Man lebt wie in einer Art Blase, einem Zwischenreich oder Zwischenhölle. Dennoch wissen die Lebenden, die noch nie in diesem Zwischenreich waren, meist sehr genau, wie man sich dort zu verhalten, zu denken und zu fühlen hat. Normale menschliche Verhaltensweisen werden da schnell zur Sünde und mit Tabu belegt, und die Freiheiten, die man im persönlichen Umgang dazugewinnt, sind nur ein Tausch gegen andere persönliche Freiheiten, die man dabei verliert. Letztendlich bekommt man immer die gleichen Sprüche und Antworten, wie meine Zimmergenossin im Krankenhaus schon richtig bemerkte. Manchmal denke ich fast, die Toten hätten mehr Verständnis, aber die sind nicht mehr da und aus offensichtlichen Gründen möchte man sich mit ihnen nicht allzu sehr abgeben. Ich wünschte mir jemanden, der mich an die Hand nimmt, mir in meinen Belangen Mut macht, mir sagt, daß er Rat wisse und wir hierhin und dorthin gehen werden, und schließlich irgendwann alles gut sein wird. Aber da ist weit und breit niemand. Im Gegenteil. Wenn ich darüber mit anderen rede, dann bin ICH es, die gefragt wird: "Und was kann man dagegen tun?"
Chutzpe - Sa, 23:16

Ich kanns wirklich nachvollziehen - mir geht es grad mit dem Downgrading so - ist nicht erwünscht ergo bin ich nicht erwünscht.

Ich kann dir nur weiterhin viel Kraft und Mut wünschen, so dass du einfordern kannst, was du brauchst und ich bin sicher, es gibt Therapeuten, die damit gut umgehen - doch diese zu finden (wie grundsätzlich gute Therapeuten) ähnelt dem Suchen einer Stecknadel im Heuhaufen *narf*

Ich denke an dich!

Danke,

das Problem ist, daß ich zum Suchen gar keine Kraft habe. Und außerdem dauert es. Man sieht es den Leuten ja nicht an der Nasenspitze an.
Chutzpe - Sa, 23:41

Das habe ich mir schon gedacht - es ist nämlich egal, woran du leidest, wenn du keinen Hausarzt hast, der sich für dich kümmert, geht nichts, denn du musst alles aus eigener nicht-vorhandener Kraft, du bist ja schliesslich krank und nicht lustig, erledigen/herausfinden.

Darauf arbeiten sie ja gezielt hin, je weniger uns angeboten wird, umso weniger müssen sie bezahlen - seien es Krankenkassen oder Rentenversicherungen etc. pp

Auf mich warten da auch noch einige Kämpfe und ich habe keine Ahnung wie ich die bewerkstelligen soll, kriege ich doch kaum den Alltag gebacken.

Ich habe

einen Hausarzt, aber ich glaube, jemand anderes, selbst ein Arzt, könnte gar nicht beurteilen, welcher Therapeut für mich wirklich geeignet wäre. Das kann man wohl nur selbst merken.
Viel Glück und Kraft weiterhin!
Chutzpe - So, 00:23

Am Schluss natürlich schon - doch die sollten einem zumindest ein paar nennen können, von denen sie denken, dass sie zu einem passen, nachdem man vorgebracht hat, was man will/braucht.

Danke.
g a g a - So, 00:58

Das ist tatsächlich eine schwierige Kommunikationslage für ein nicht betroffenes Gegenüber. Die eine mutmaßen ins Blaue und rekapitulieren, was man halt mal schon irgendwo in dem Zusammenhang gehört hat, die anderen gestehen ihre Ratlosigkeit ein. Eigentlich kann nur jemand, der genau das erlebt hat oder diese Hilfestellung zum Beruf gemacht hat, mehr als dünne Worte anbieten. Ich habe vor vielen Jahren einmal ein sehr mutmachendes Buch von einer betroffenen Frau gelesen. Sie hatte allerdings eine vollständige Amputation und als sie ihren Lebensmut wiedergefunden hatte, hat sie sich zum Trotz eine Rose auf die lange Operationsnarbe tätowieren lassen. In dem Buch war ein Foto von ihr. Sie sah aus wie eine Amazone. Vielleicht hatte sie sogar so ein Kleid an, das die tätowierte Seite aussparte. Ich weiß es nicht mehr. Sie wirkte durch ihre trotzige Kraft überhaupt nicht, als ob irgendetwas an ihr nicht vollkommen wäre. Fällt mir nur gerade so ein. Es gibt bestimmt noch mehr Frauen wie sie, die dir besseren Zuspruch (als gesunde Dilettanten wie ich) geben können ;-)

Klar,

ich habe haufenweise Bücher von Brustkrebspatientinnen gelesen und auch mit jeder Menge Brustkrebspatientinnen Kontakt, nicht zu vergessen, die Brustkrebspatientinnen, die einem, gerne auch von Psychologen, als strahlende Vorbilder vor die Nase gestellt werden. Ich finde es zwar sehr interessant und auch wichtig, vor allem der Informationen wegen, mit anderen Patientinnen zu kommunizieren und ihre Erfahrungen zu hören, leider bin ich aber ich und nicht andere, weshalb ich nicht vorhabe, irgendwelchen Vorbildern nachzueifern und mich an den Krebs-Dankbarkeits-Einheitsverhaltensbrei anzupassen, der anscheinend erwartet wird. Trotzreaktionen - dieser oder jener Art, kann ich jedoch sehr gut nachvollziehen. Allerdings kann man Narben generell stolzer zeigen als eine leicht verkrüppelte Brust, bei der man zuerst gar nicht auf die Idee kommt. daß da eine Krankheit dahinter steckt. Ich finde, das ist gar nicht miteinander zu vergleichen.
g a g a - So, 10:56

Verstehe.
bonanzaMARGOT - Mo, 10:26

du lebst aber schon noch ...

Und im Moment

frage ich mich mal wieder, wozu eigentlich...
bonanzaMARGOT - Mo, 15:18

Diese Frage kann sich im Prinzip jeder stellen, - doch die "gesunden" Menschen glauben irrigerweise, dass sie ewig leben.

Deshalb

haben sie wahrscheinlich auch so viel Angst vor dem Tod, genauso wie ich sie zuerst hatte. Aber wenn man ihm auf der Schippe sitzt, ändert sich die Einstellung total. Doch das kann auch nur jemand verstehen, der das selbst erlebt. Früher habe ich das oft von anderen Krebspatienten gelesen, aber nicht wirklich nachvollziehen können.
bonanzaMARGOT - Mo, 15:35

Ja, das glaube ich dir. Ich beschäftige mich gedanklich schon sehr lange mit dem Sterben und dem Tod und der Endlichkeit meiner Existenz.
Im Altenheim erlebte ich Sterben und Tod schon viele Male ...
Und es ist keineswegs immer so, dass man am Ende des Lebens (relativ) leicht an Altersschwäche stirbt.

Eben.

Da meine Oma an Brustkrebs gestorben ist, und das bis zu zwei oder drei Tage vor ihrem Tod ohne ärztliche Unterstützung, weiß ich wie das Sterben an Brustkrebs ist.
bonanzaMARGOT - Mo, 15:48

Meine Erfahrung ist: jeder Mensch stirbt anders, - manche vielleicht ähnlich je nach Todesart, Bewußtheit, Charakter und Lebensabschnitt.

Das

ist ganz sicher so.
bonanzaMARGOT - Mo, 15:54

Und du lebst. Jetzt. Da, wo du bist. Lebe.

Das tue ich,

und wie... Ein Zombie bin ich noch lange nicht, auch wenn manche mich anscheinend da haben möchten.
bonanzaMARGOT - Mo, 16:07

Das sind selbst Zombies. Die Welt ist voll davon.
Chutzpe - Mo, 16:59

Vor dem Tod hatte ich noch nie Angst - nur vor dem qualvollen Sterben.
bonanzaMARGOT - Mo, 18:01

gratuliere. ich habe vorm sterben angst, weil es weh tut, und weil danach normalerweise der tod eintritt.
und ich habe vorm tod angst, weil er das ende vom leben (das ich doch so liebe) bedeutet.
Chutzpe - Mo, 18:06

Es wird daran liegen, dass mir das Leben zu anstrengend ist - tot sein ist das Beste überhaupt, dann ist die Qual nämlich vorbei - egal, wo du krank bist.
bonanzaMARGOT - Mo, 18:10

da hast du verdammt recht. meine liebe zum leben ist ambivalent. aber ich weiß doch, dass ich als ich noch ein weilchen leben will ..., vorausgesetzt, ich verliere nicht den mut.
Chutzpe - Mo, 18:28

Immer wenn ich glaube, es geht besser, kommt der nächste Hammer und ich habe darauf keine Lust mehr.

Bin gespannt, ob der stationäre Aufenthalt (warte nur noch auf den Eintrittstag) nochmal was rum reissen kann.
bonanzaMARGOT - Mo, 18:31

bitte verliere nicht den mut.
Chutzpe - Mo, 18:39

den habe ich schon länger verloren - den letzten anlauf habe ich nur genommen, um zu zeigen, dass ich dem allem nicht gewachsen bin - und tada - da war er - der erneute, unausweichliche zusammenbruch und der nächste ist nur eine frage der zeit, wenn ich wieder arbeiten können soll.
bonanzaMARGOT - Mo, 18:45

deine story können wir hier schlecht erörtern ...
doch ich glaube, dass du noch genug mut hast. ich sage das, weil ich auch schon lebensmüde war. und ich sage das, weil ich ... einige (alte) menschen betreute, die totkrank waren bzw. im sterben lagen.
Chutzpe - Mo, 18:49

müssen wir auch nicht - zucker weiss bescheid und ich bin hier in sicheren händen.

ich wäre lieber schon alt und könnte gehen - doch das darf man ja nicht sagen, man muss das leben ja toll finden. ob man es haben will, wurde man ja nicht gefragt.

ic weiss, dass du in der (alten)pflege arbeitest und sicher schon vieles gesehen hast.

lass gut sein - du brauchst dir keine sorgen zu machen.
bonanzaMARGOT - Mo, 18:53

okay chuzpe. das leben ist alles andere als toll. das leben ist verrückt. total verrückt, sage ich dir. es ist das dasein an sich, und zum dasein gehört auch der tod. egal, was danach ist, - weil auch die zeit ist wahrscheinlich wie alle dimensionen nur eine schimäre.
mache, was du glaubst. sei du.

ciao.

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