Das verlorene Schriftwerk
Das ganze Dorf bekam mit einem Mal einen anderen Geruch. Eine Wolke aus männlichem Schweiß, zerfahrenen Autoreifen und erhitztem Metall hatte sich über den kleinen Ort gelegt und neugierig und misstrauisch schauten dessen Bewohner dem Treiben der vielen neuen Gäste zu, die bald vertrauter und schließlich zu einem gewohnten Bild wurden.
Wochen über Wochen war ihr emsiges Kommen und Gehen zu beobachten, ihre zerschundenen Hände, ihre staubigen Arbeitshosen und ihre von der täglichen Arbeit gestählten Muskeln. Eines Tages jedoch war es still. Keine Lastwagen fuhren. Kein Stahl klirrte auf Ladeflächen, die über grobes Kopfsteinpflaster holperten. Keine kratzigen Männerstimmen hallten über die Straße.
Helene hatte wieder ihren Platz vor dem Haus eingenommen. Die alte Ursel watschelte vorbei und nahm ein paar winterliche Astern für das Grab ihres kürzlich verstorbenen Mannes mit. Regenwolken hingen über dem Ort. Es war noch nicht sehr kalt, doch der Herbst war spürbar und hatte überall seine Spuren gelegt.
Helene beobachtete zwei Männer, die aufgeregt gestikulierend miteinander sprachen und schließlich den Weg zum Haus des Bürgermeisters einschlugen. Mit roten Köpfen und dem Bürgermeister winkend, der sich noch im Gehen in seinen leichten Trenchcoat schälte und den Hut aufsetzte, erschienen sie wieder auf der Straße und stiegen in den weißen Lieferwagen, der Bürgermeister Harry Wolff mit ihnen. Knatternd fegte das Fahrzeug in Richtung der Baracken davon.
Helene beschloß, zurück in den Garten zu gehen und dort etwas für Ordnung zu sorgen. Einige bunte Blätter waren schon vorwitzig auf die Wege und die Beete gefallen, wo sie golden und purpurn leuchteten wie verlorene Kostbarkeiten. Helene summte leise, während sie das Laub zusammenharkte. Der Garten ihrer Eltern, der sich an die alte Villa anschloss, war nicht groß. Niemand wu
Niemand wu...? Wenn ich noch wüßte, was ich damals hatte schreiben wollen. :-/
Schweigend liegt das alte Pfarrhaus, eingebettet in der samtigen Geborgenheit der Nacht. Kein Mondlicht fällt durch die hohen Fenster als ich erwache. Angestrengt lausche ich in die Dunkelheit. Dann und wann ist ein leises Ächzen und Seufzen der Dielen zu hören. Es ist der tiefste Punkt der Nacht, eine Zeit in der jeder Mensch schläft. Ich allein bin wach. Aus einem inneren, unwiderstehlichem Drang heraus, zieht es mich hinaus und ich schleiche barfuss, nur mit meinem Pyjama bekleidet, am Schlafzimmer meiner Eltern vorbei, öffne die Wohnungstür und tappe vorsichtig die Treppen des Hausflurs hinunter. Sobald sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, reicht das Licht gerade aus, um die allernötigsten Umrisse zu erkennen. Unten angekommen öffne ich die massive, schwere Haustür, indem ich mein ganzes Körpergewicht dazu einsetze. Doch was ich dann erblicke ist atemberaubend und überraschend. Es muss während der vergangenen Stunden geschneit haben und weißer Schnee bedeckt die Wege und Vorgärten außerhalb des Hauses, erleuchtet die lichtlose Nacht mit seinem Strahlen. Es ist, als gehe ein zarter Lichtschein von ihm aus. Verzückt betrachte ich diesen märchenhaften Anblick, noch immer gegen die schwere Haustür gelehnt und im Glitzern der winzigen Kristalle schwelgend. Bewusst wird mir nun auch die große Stille, eine Stille, die außergewöhnlich ist. Doch ich fürchte sie nicht, ebenso wenig wie die Dunkelheit. Im Gegenteil. Ich fühle mich schützend umhüllt vom seidigen Schwarz der Nacht und ihrer Schönheit.
Das schneebedeckte Land vor der Haustür zieht mich magisch zu sich hinaus. Obwohl ich nichts an den Füßen habe, mache ich einen vorsichtigen kleinen Sprung in den Schnee hinaus. Es fühlt sich herrlich an. Nicht kalt und nicht nass, sondern einfach nur watteweich und erfrischend. Es ist ein bisschen wie auf Wolken zu gehen. Ich überlege, was ich mit dieser zauberhaften Nacht anfangen könnte. Sie zu verschlafen wäre viel zu schade. Besser wäre es, hinunter zum Fluss zu laufen und dort die Schönheit und die Stille um mich herum zu genießen. Sorgen, dass mich jemand nur mit dem Pyjama bekleidet trifft, muss ich mir wohl keine machen, denn ich bin ganz sicher allein in dieser Stunde. Kurzzeitig kommt mir die Gefahr des Erfrierens in das Bewusstsein, doch sie erscheint mir völlig unmöglich. Ich spüre keine Kälte noch sonst etwas feindliches. Ich bin völlig geborgen und geschützt in dieser traumhaften Welt und so mache ich mich auf den Weg zu der vereisten Quelle am Fluss.
Dort setze ich mich auf einen Felsen, sauge die klare Luft mit vollen Zügen in mich hinein und horche. Sogar der Kirchturm, der schwarz in die Nacht ragt, gibt keinen Laut von sich. Es ist wunderbar zu lauschen und je mehr ich es tue, um so mehr öffnet sich mir die Stille gleich einem geheimen Tor und offenbart ihre Schätze. Erst ist es das leise Knistern und Knacken des Schnees, später ist es das Seufzen eines Tieres oder das Rascheln eines Zweiges. Tiefer und tiefer dringe ich in die Stille, Hülle um Hülle durchbreche ich, lausche ihrem Gesang, der auf jeder Ebene anders tönt. Bald höre ich das Atmen meiner Poren und das Klingen der Sterne, eine Melodie, deren Resonanzkörper direkt im Herzen zu finden ist, für das Ohr unhörbar. Staunend nehme ich das Universum wahr, welches unerhört zwischen den Klängen des Außen schwingt, umgeben vom schwärzesten Schwarz der Nacht und weißesten Weiß des Schnees. Der Weg der Stille führt in mein Inneres, wo der Raum größer und größer wird, unermesslich und unfassbar groß, weiter als der Sternenhimmel. Tür um Tür öffne ich, ein Labyrinth, welches nur eine Richtung kennt, bis ich zur allerletzten Kammer gelange. Eines feines Vibrieren geht von dieser aus, vergleichbar dem Vibrieren eines Maschinenraumes, in welchem Maschinen im stetig gleichmäßigen Rhythmus arbeiten. Nur ist kein Ton zu hören. Das Vibrieren ist so lautlos wie Vogelflaum, der über die Haut weht. „Was ist das hier?“ frage ich und erhalte sofort die Antwort von einer unsichtbaren Stimme: „Dies ist der Klang, aus dem du geboren wurdest.“
Ehrfurchtsvoll lauschen die Härchen meiner Haut, lauschen die Sohlen meiner Füße, lauschen meine Muskeln, in denen der Schall sein Echo findet, lauscht der winzige Punkt in der Mitte meines Seins, der Punkt, der niemals schläft. Da hebt ein schreckliches Gebrüll an. Die Kirchturmuhr schlägt unerträglich laut in meinen Ohren, holt mich zurück durch jede einzelne der durchschrittenen Türen, bis ich fürchte, mein Kopf müsse mir zerspringen. Es brüllt und brüllt.....rasselt und rasselt, der Wecker rasselt und ich schlage erschrocken die Augen auf. Gleißendes Licht dringt durch die Fenster, Stimmengewirr und Türenschlagen aus den Nachbarzimmern ist zu vernehmen, Kinderweinen von der Straße und das Gedröhn der Müllabfuhr. Verwundert betrachte ich die Wasserflecken, welche ich zwischen dem Bett und der Türe entdecke...
Unter schwarzen Wolken, in stürmischer Höh',
tragen die Finken ihre Dornenkronen
und fiedern das Leid hoffnungsgrün.
Immer weiter, immer mehr
kluge Konzepte müssen her:
Ein Konzept zur Vorsorge,
ein Konzept zur Nachsorge,
ein Konzept zur Übernahme,
ein Konzept zur Weitergabe,
ein Konzept zur Rücknahme,
ein Konzept zum Wasserlassen,
ein Konzept zum Futter fassen,
ein Konzept zur Kundennähe,
ein Konzept für Arbeitspläne,
und brauchen wir bald
ein Konzept für Menschlichkeit,
so haben wir verloren.
Inspiriert vom
Literatur-Twitter und dem Aufruf, in Ergänzung zum 2. Literaturpreis über die Arbeitswelt zu twittern. Leider etwas zu lang geraten. Es ist eine echte Herausforderung, sich nicht nur kurz zu fassen, sondern dabei auch noch literarisch. Und langsam beginnt mir Twittern Spaß zu machen. Deswegen.
Und die Sorgen verhüllen mich,
vernehme ich den tiefen Klang
der Hörner, die zum Angriff rufen:
Ihr Wille sei rein, beteuern sie,
die folgsamen Empörten,
doch bekommen sie nicht,
was sie wollen, denn der Wille
des einen dirigiert sie -
Marionetten in seinen Händen,
die Fäden bleiben verhüllt
von lautem Aktionismus
und zur Nahrung werden sie
für Würmer und die Krähen.
Schönheit folgt der Zeit
in die Ewigkeit -
ihre Träger gehen,
der Bauplan bleibt bestehen,
das Schnittmuster bleibt.
Lang der Morgen war vergangen -
die Mittagsfrau strich durch die Heide
und der Regen tropfte tänzelnd
auf das Laub der alten Weide
Dunkle Wolken hingen schweigsam,
wo sich der Erde Scheitel zieht,
als von Ferne naht das Unheil,
grau Nebel sich im Tale wiegt
Teuflisch-höhnisches Gelächter
fährt im Nu durch alle Glieder,
jedem Sträuben sich die Haare
und verwelkt ist gleich der Flieder
Ängstlich schaun die Menschen um sich
und eilig fliehn sie nach dem Haus,
warten schaudernd, bang und betend,
strecken nur die Nasen raus
Dort am Baume bei dem Flusse,
wo das Wasser träge fließt
lichtverhüllt ein heller Schatten
leuchtend durch den Nebel bricht
Weiße Schwingen lassen ahnen,
die Herkunft dieser Urgestalt
mit lichtverziertem Heldenhaupte
und dem Schwert in festem Halt
Wartend auf des Dämons Meute,
die mit Geheul nun näherjagt
und gerüstet zu dem Kampfe,
den ein Menschenkind nicht wagt
Wie der Pestgeruch der Hölle
ein Dampf aus heißer Erde steigt,
bevor zerbricht die Weltenhülle
und sich ein wildes Untier zeigt
Gräßlich ist es anzuschauen,
selbst das Herz gefriert zu Eis,
wenn es mit verschlagnem Blicke
seine Klauen grausig reibt
"Ah, sieh an - wes süßes Antlitz
aus der hochheil'gen Himmelsschar
hat gewagt sich mir zu nähern
und das auch noch alleine gar."
"Mehr bedarf es nicht zu stellen
sich dir Garstkopf in den Weg."
sagt's und springt mit klarer Klinge
auf des dunklen Wassers Steg -
schon der Engel ganz behende
und zum Schlag bereit sich machend,
doch das Untier will nicht folgen
sondern hält den Bauch sich lachend
"Nun, was ist? Du bist wohl feige?
Willst zu Tode lachen dich?
Oh, das kannst du gerne haben,
wenn du in den Spiegel blickst."
"Ach, mein kleiner Flitterengel,
was bist du zornig denn mit mir?
Laß uns lieber Freunde werden,
und ich zeige die Hölle dir."
"Oh, nein danke, lass nur gut sein."
stolz der Gefiederte erwidert,
verächtlich auf den Dämon blickend,
der sich so dreist anbiedert.
"Das konnte ja nicht anders gehen,
mit dir hochheil'ger Mißgeburt,
willst deinem Feinde nicht vergeben,
doch schwafeln kannst du immer gut
Hast du denn vergessen schon,
dass wir Brüder waren einst,
Ambrosia uns gemeinsam teilten
und auch unser'n Himmelsdienst?
So schätzt du die Familienbande -
willst mich sogar töten heimlich.
Tut man sowas mit Verwandten?
Ist das neuerdings so üblich?"
Schwankend wird der Blick des Engels
und listig grinst das Tier ihn an,
als dieser sinken läßt sein Schwert
und etwas näher tritt heran:
"Recht hast du - sei mein Bruder.
Dir trauen kann ich leider nicht.
Aber gut, auch du sollst leben,
doch holen möge dich die Gicht."
"Gut gesprochen", lacht der Dämon,
"Sowas nenn ich denn ein Wort.
Darauf woll'n wir einen heben..."
und zieht den Engel mit sich fort
In der Kneipe an der Ecke
kehren beide friedlich ein,
wo sie trinken ein paar Runden
von des Gastwirt's bestem Wein.
Und dann haken sie sich unter,
schunkeln heiter so zum Lied,
bis von zuviel Wein besoffen
der Dämon unter'm Tische liegt.
Doch der Engel, züchtig nippend,
lächelt fröhlich, und sehr gnädig
spricht er seine weisen Worte:
"Meine Herrn! Der wär' erledigt..."
(2005)
Schwer trägt der Himmel,
schwer, zu schwer, und so
schlingt er sich um Kirchturmspitzen,
ruht auf der nackten Bäume
Arme, still emporgereckt.
Grau und müde von der Last
liegt er auf den Häusergiebeln,
wo die Winterraben sitzen,
ihr Gefieder, nachtdurchtränkt,
weich die matten Wolken streift,
die nicht länger halten wollen
das Gewicht des kalten Schnees.
Und hevor bricht aus der Trübe,
aus des Himmels müdem Weh,
ein perlend weißes Lichterheer.
Kalt singt dein Lied
in den Zweigen der Ulmen,
tränenreich von Himmelgrau.
Still bricht der Schnee,
der zartflüchtige Tänzer.
an deiner rauen Heftigkeit.
Klagend summst du in den Mästen,
in brüchigen Lichtleitungen,
rüttelst an den Fensterbogen,
streichst jammernd um das Haus,
katzenhaft, und schmiegst dich
übermütig durch jede Tür.
Warm gedenkt das knisternde Holz
der dunkel stehenden Brüder
unter frostigem Sternenklar.
In grimmiger Milde trocknest du
der schwarzen Wälder Tränen
zu glitzerndem Kristall.
Wange an Wange,
ruhen wir und atmen,
ruhen in uns selbst,
das Äußere im Innen,
abgekehrt von der Welt,
die Haut unser Zelt.
Wir atmen die Nacht,
trinken sie bis zur Neige,
bis mit Dunkel gefüllt
unsere Bäuche sind
und der Tag, gerettet,
auf unsere Lider fällt.
Nur manchmal, nur kurz,
spüre ich deinen Duft,
libellenzart vergänglich,
durch meine Träume wehen.