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Protokoll eines Ikea-Tages

Vormittag des gestrigen Tages: Anruf von K. mit der Mitteilung, dass sie heute zu Ikea raus fahren will und sie fragt, ob ich Lust habe mitzukommen, da ich ja sicher auch noch einiges für meine Wohnung brauchen kann. Wir verabreden uns.

11:00 h des heutigen Tages: Pünktlich steht sie vor der Tür. Paule, ihre 5jährige Enkeltochter, sitzt schon im Kindersitz. Sie fährt mit zu Ikea, da ihre Mutter arbeiten muss.

11:10 h an der nächsten Straßenkreuzung: Kläglich klingen die quengelnden Rufe eines hungernden und durstenden Kindes vom Rücksitz. Sie scheint kurz vor dem Verrecken zu sein, doch lt. K. hat sie gerade erst gefrühstückt. Schließlich gibt sich P. mit einer Flasche Cola (ausnahmsweise) und einem Kaugummi zufrieden.

11:15 h: P. protestiert dagegen, nach Lichtenberg zu fahren. Sie wohnt zwar da, möchte aber lieber in Marzahn wohnen. Wir versichern ihr, dass wir nur durchfahren.

11:20 h: P. hat Gefallen an meinem Namen gefunden und schreit in ohrenbetäubender Lautstärke immer wieder "Susanne". Ich drehe mich jedesmal um und sie grinst mich schelmisch an.

11:25 h: P. schaut sich Prospekte vom Findlingspark an und man hört bewundernde Ausrufe wie "Cool!!" und "Voll krass!!!"

11:30 h: P. redet von einer Rosie. Wir fragen, wer das ist und sie zeigt auf mich. So schnell kann das gehen.

11:35 h: P. stülpt sich eine Plastiktüte über den Kopf, die sie aus der Handtasche von Oma gezogen hat und K. verliert kurzzeitig die Kontrolle über den Wagen, als sie erschreckt nach hinten brüllt, P. solle sofort die Tüte vom Kopf nehmen.

11:40 h: Wir fahren am Tierpark vorbei. P. schreit: "Ein Bär!" und fragt, ob Oma und sie mit mir in den Tierpark gehen. Doch es bleibt bei Ikea.

11:45 h: P. fragt mich, ob ich bei Ikea mit ihr spiele. K. erklärt ihr, dass man bei der Kinder-Sammelstelle in Smaland so Große wie mich nicht mehr nimmt. Ich bin geknickt.

11:50 h: P. schreit: "Wo ist denn endlich Ikea?"

11:51 h: P. schreit: "Wann sind wir denn endlich da?"

11:52 h: P. schreit: "Wie lange dauert es denn noch?". Ikea kommt in Sicht. Alle atmen auf.

11:53 h: P. schreit: "Fahr doch mal schneller, Oma! So schnell wie der da vorne!"

11:54 h: P. schreit: "Wann sind wir denn endlich da?"

11:55 h: P. schreit: "Los! tritt doch mal auf's Gas! Ich will endlich zu Ikea!"

11:56 h: Eine rote Ampelphase hält uns bei der Einfahrt auf den Parkplatz auf. Minutenlang hören wir lautstark und nervzerreißend jemanden demonstrieren: "Es soll Grün sein! Es soll Grün sein! Es soll Grün sein! Es soll Grün sein! Es soll Grün sein! Es soll Grün sein! Es soll Grün sein! Es soll Grün sein!" usw. usf.

12:00 h: Endlich bei Ikea. P. darf sich in den Einkaufswagen setzen und sich fahren lassen. Sie soll mit in die Möbelabteilung, da bei Smaland die Kinder nur anderthalb Stunden betreut werden. Der Wagen ist unwahrscheinlich schwer. In der Möbelabteilung überlasse ich ihn K.

12:01 bis 13:00 h: Wir schauen mehr auf P. als auf die Möbel, da sie ständig im Wagen aufsteht, herumklettert, herausklettert und wegrennt. Mehrmals müssen wir sie suchen, doch zum Glück hat soie ein Schreiorgan, das nicht zu überhören ist. Meine Nerven machen langsam schlapp. Ich bin es nicht gewohnt, meine Augen überall gleichzeitig zu haben.

13:05 h: P. kritzelt mit den Ikea-eigenen Bleistiften intensiv einen Einkaufszettel, wobei sie die Mustermöbel als Unterlage nimmt, da sich darauf besser schreiben lässt.

13:10 h: Wir fahren mit dem Fahrstuhl nach unten und P. will unbedingt den Knopf drücken. Sie steht im Einkaufswagen, welchen ich wieder vor mir her schiebe, genau in der Ecke, ist auch schneller als Oma am Knopf, doch ranzt mich aus welchem Grund auch immer an, dass ich sie mit dem Wagen nicht an den Knopf geschoben habe.

13:15 h: K. bringt P. ins Smaland. Ich warte mit dem Wagen.

13:40 h: Endlich könnten wir entspannt einkaufen, wenn da nur nicht die sich stromartig wälzenden Menschenmassen und der Zeitdruck wären.

15:00 h: Jeden Moment erwarten wir, ausgerufen zu werden, weil die Zeit abgelaufen ist, weshalb wir uns zur Kasse schlagen.

15:05 h: Ich warte mit dem Wagen und K. geht das Kind abholen. Es dauert merkwürdig lange. Aus der Ferne sehe ich sie ratlos unter Sitzbänken und hinter Vorhängen suchen. P. ist weg!

15:10 h: Noch immer sucht K. mit einem Suchtrupp von anderen Kindern. Auf die Frage, was P. denn für Kleidung trägt, fallen ihr nur die geringelten Strumpfhosen ein.

15:20 h: P. macht sich lustlos bemerkbar. Sie hatte sich versteckt und will nicht gehen. Schließlich läßt sie sich mit dem Versprechen überreden, dass sie, bis wir den Wagen eingeladen haben, noch Fernsehen darf und danach eine Bratwurst bekommt.

15:30 h: Wir haben den Wagen eingeladen und setzen uns mit einer Bratwurst auf eine Bank in die Eingangshalle. P.'s Bratwurst ist mit extra viel Ketchup, so wie sie es mag. Ich ahne Schlimmes.

15:35 h: Innerhalb weniger Minuten ist P. wortwörtlich von der Nasenspitze bis zu den Schuhen mit Ketchup bekleckert. K. bemerkt das weiße Mustersofa, auf dem sich ebenfalls einige Leute niedergelassen haben und meint, dass es sich doch viel mehr gelohnt hätte, wenn wir uns dort hingesetzt hätten. Ich verstehe sofort, was sie meint.

15:40 h: K. versucht die Hände von P. mit einer Serviette zu säubern, wobei sie Ketchup in eine winzige Schnittwunde schmiert, wo es natürlich brennt. P. brüllt durch die Halle, als würde sie gerade gekreuzigt und gevierteilt.

15:45 h: Wir fahren nach Hause. Es ist ungewohnt still hinten im Wagen. P. ist tief und fest eingeschlafen.

17:00 h: Wieder zu Hause. Für heute ist mein Bedarf an Kindern gedeckt. Ich bin froh, mich mit meiner neuen rot-orangen, herrlich weichen Kuscheldecke begnügen zu dürfen. Doch dafür und für den neuen Spiegel, die Bilderrahmen, Kerzen und Glaskugeln hat sich der Einkauf gelohnt.
subby (Gast) - Sa, 23:50

Hallo,
die Beschreibung hat mich ein wenig an den heutigen Tag erinnert... Nur das Ole (mein Junge) grundsätzlich bei IKEA eine Portion Köttbullar vertilgen muss, um dann am Ausgang noch eine halbe Portion Softeis abzustauben.

Liebe Grüße
Thorsten

Xchen - So, 16:36

Da kann ich nur spitz sagen:
Genau darum habe ich keine Kinder - weil ich genau das alles weder einmal und schon gar nicht dauernd erleben mag.

subby (Gast) - So, 20:08

Hallo Xchen,
auf der anderen Seite entgeht einem ohne Kinder auch vieles. Wenn man so einen Tag geschafft hat, und abends zusammen mit seinem zufriedenemschmust ist das so schön wie nichts anderes auf der Welt.

Liebe Grüße
Thorsten
Xchen - So, 21:50

Du wirst es wohl kaum glauben können:
Doch auch darauf verzichte ich dankend - ich bin müde genug, dass ich mir nicht noch einen 20-jährigen FullTimeJob zulegen muss in Form von Kindern (die ich grundsätzlich alle nicht leiden kann).

Hallo Xchen, hallo Thorsten,

süß können sie ja schon manchmal sein, aber nach dem gestrigen Tag war ich WIRKLICH froh, mich als "Unbeteiligte" wieder aus dem Staub machen zu können.;o)

ElsaLaska - So, 21:20

Manchmal finde ich aber schon,

dass nicht die Eltern Kindergeld kriegen sollen, sondern die Kinderlosen Schmerzensgeld :)
Vor allem bei so einem Musterbeispiel an angewandter total erziehungsfreier Zone.

Xchen - So, 21:51

Ich sollte zwar nicht mit dir schreiben, doch solche Aktionen zeigen ALLE Kinder manchmal, nicht nur unerzogene.

@Elsa: Stimmt schon irgendwie. Gerade gestern im Auto habe ich es manchmal bereut eingestiegen zu sein, obwohl K. sonst eine umsichtige Fahrerin ist. Es reicht ja schon, dass einem Angst und Bange wird, auch wenn dann kein Unfall passiert. *schwitz*

@Xchen: In diesem Fall finde ich aber auch, dass die Kleine sehr unerzogen oder verzogen oder was auch immer ist. Und ich konnte manchmal die Reaktionen von K. nicht verstehen. Zum Beispiel fällt mir noch die Episode ein, wie P. auf einmal Geschenke wollte, warum auch immer. Sie quengelte dabei, dass sie jetzt sofort Geschenke haben will und K. ist darauf eingegangen, indem sie gefragt hat, wie sie darauf kommt, dass sie Geschenke kriegt. Sie hat auch eine ganze Weile durchgehalten abzulehnen, doch die ganze Sache endete schließlich so, dass sie nachgab und ein Geschenk versprach.
ich glaube, ich hätte mich von Anfang an auf so ein Gespräch gar nicht eingelassen, sondern P. einfach ignoriert, aber ich habe nichts gesagt. Ist ja schließlich nicht mein Kind.
Xchen - So, 22:06

K ist die Oma oder?
Die sind ja meistens inkonsequenter (soll keine böse Unterstellung oder Verallgemeinerung sein).

Aber ehrlich jetzt:
Solche Motzaktionen etc. habe ich von unzähligen Kindern von Freunden gesehen, die echt nicht unerzogen waren - doch manchmal hat man halt die Fresse auch voll und gibt nach (z.B. bei den Geschenken).

Ich kenne die Erziehungsmethoden dieser Familie ja nicht und es geht mich auch nichts an, es ging mir nur darum, darauf hinzuweisen, dass auch gut erzogene Kinder solche Aktionen starten.

Und zum Thema gut erzogen:
Ich war ja ein Musterkind bis ich in die Pubertät kam - und sorry: Wer sein Enkelkind so konditioniert wie meine Oma das getan hat, ist einfach ein Arschloch. Ich könnte noch heute über das brave Mädchen kotzen, das sie Nachmittag für Nachmittag zu irgendeinem Kaffee-Klatsch geschleppt hat und das dann stundenlang brav in der Ecke sass und sich mit sich selber beschäftigt hat.

Kinder sollen und die meisten tun es auch, permanent heraus fordern und das ist genau das, wofür ich keine Kraft habe und darum keine Kinder habe. Ich möchte nämlich nicht mal auf der Titelseite der Bild stehen, weil ich meine Kinder ermordet habe (und ja ich sehe mich dauernd wie ich es tue).

Klar haben alle Kinder diese Phase, in der sie probieren, wie weit sie kommen und gehen können. Aber man merkt ihnen dann meistens sehr schnell an, wie Eltern und andere Erziehende darauf reagieren, wie konsequent die Erziehenden sind. Von einer rigiden Erziehung, wo sich die Kinder gar nichts mehr trauen, halte ich ebenfalls nichts, aber nur nachgeben bringt eben auch nichts. Denn schließlich wollen die Kinder ja ihre Grenzen austesten und sollten sie deshalb auch erfahren.
ElsaLaska - So, 22:12

Für außenstehende mit Kindern ein unpassender Vergleich,

ich weiß, für mich durchaus plausibel, da Hund ist für mich gleich Kind. Wenn mein Hund derart im Restaurant, im Auto, der Öffentlichkeit, gegenüber anderen Menschen herumtheatern würde, hagelte es Beschwerden. Zu Recht. Das hat nichts mit Repressivität oder falsch verstandener Autorität zu tun, sondern mit dem Versuch, niemanden auf dem Sack zu gehen. Dass die reine Tatsache, ein Kind auf die Welt gesetzt zu haben, schon der Freifahrtschein dafür sein soll, anderen damit die Nerven zu ruinieren? Es gibt tolle Kinder. Sie sind keine Duckmäuser, sie werden nicht geschlagen, sie leiden nicht unter einem liebevollen Hinweis da oder dort, wo er geboten erscheint. Die gibt es ja. Man kann Kindern ziemlich viel plausibel machen, wenn man sich mit ihnen auseinandersetzt. Aber ich habe keine große Lust, die Leidtragende dabei zu sein, wenn mangelnde Auseinandersetzung zwischen Kindern und ihren Erziehungsberechtigten stattfindet. Und als Dritte kannst du da herzlich wenig ausrichten. Oder wirst noch blöd angeguckt, wenn du gegenüber einem Kind - liebevoll und plausibel natürlich - deine Grenzen ziehen willst.

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