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Ein neues Berufsbild

Neulich in einer Talkshow: Landwirtschaftsminister Christian Schmidt war anwesend und es ging natürlich um das Thema Glyphosat. Ein Naturschützer oder -filmer oder beides, das hab ich nicht so genau mitbekommen, hält ein leidenschaftliches Plädoyer in etwa: "Es sind bereits 80 (?) Prozent der Insekten weg - wollen wir denn erst warten bis alle weg sind, bevor wir etwas unternehmen? Wenn alle weg sind, dann gibt es keine Landwirtschaft mehr!"
Na, na, na, nun mal ganz langsam mit den jungen Pferden. Zwar hat auch Einstein schon gesagt, erst sterben die Bienen und dann die Menschen, aber wenn man fair ist, muß man doch zugeben, daß dies reine Angstmacherei und Katastrophenflirting ist. Wenn Menschen inzwischen sogar in der Lage wären, auf dem Mars zu überleben, könnten sie sicher auch das überleben. Fragt sich nur wie...
Ganz sicher wird eine neue Beschäftigung hoch im Kurs sein, nämlich die Handbestäubung. Und das ist kein Witz, sondern gibt es tatsächlich bereits in einer Region Chinas, in der die Obstbäume nun mit der Hand bestäubt werden müssen. Auch in Gärtnereien ist dies gängige Praxis. Ich hatte mal das Vergnügen, während einer Ferienarbeit aus sämtlichen Geranienblüten die Pollen abzusaugen, die dann später zur Handbestäubung genutzt werden. Ich vermute mal, daß es Jobs wie meinen dann auf dem Land im großen Ausmaße geben wird, nur wird vermutlich selbst das größte Ausmaß an Angestellten nicht ausreichen, um die gesamte Bevölkerung zu ernähren. Wahrscheinlich wird es so sein, daß die Städter gesammelt zu großen Bestäubungssubotniks antreten müssen, damit ihre Ernährung sichergestellt werden kann. Aber Menschen wären ja nicht Menschen, wenn sie sich nicht ganz schnell irgendwelche technischen Lösungen einfallen lassen würden oder per Genetik selbstbestäubende Pflanzen züchten, so wie ja auch die Pflanzen, die den Glyphosatregen überleben, gezüchtet werden konnten. Welch ein Aufwand und welche Kosten!
Die fleißigen Bienen und Hummeln dagegen tun das alles völlig unentgeldlich und ohne Tarifvertrag als freiwillige Mitarbeiter. Das einzige, was sie dafür benötigen, ist eine Umwelt, in der sie überleben können. Und eine Umwelt, in der Bienen, Hummeln und andere nützliche Insekten überleben können, kann für den Menschen nicht schlecht sein. Überhaupt ist das ganze System der Natur so durchdacht und komplex eingerichtet, daß es mir manchmal so vorkommt, als ob das Gehirn des Menschen dieser Komplexität einfach nicht gewachsen ist. Vielleicht sind es aber auch die Geldscheine vor den Augen, die da die Einsicht verdecken. Und auch Unkraut ist eben kein Unkraut, sondern hat ebenso nützliche Eigenschaften, wie zum Beispiel die Reinigung der Böden von Schwermetallen und Giften. Und das ebenfalls völlig kostenfrei und ohne Extra-Aufforderung. Nur daß den Menschen das halt irgendwie egal zu sein scheint, welche Gifte sie dem Boden ihrer Lebensmittel hinzufügen. Es ist schade, daß Menschen diese Ressourcen der Natur, statt sie klug zu nutzen, einfach nicht zu schätzen wissen. Aber ich denke mir immer, wenn Menschen intelligent genug sind, um diesen ganzen Mist zu erfinden, der gegen die Natur arbeitet, müßten sie doch eigentlich auch intelligent genug sein, um Strategien zu finden, mit der Natur und ihrer Komplexität zu arbeiten. Überrascht mich doch mal!
Namesi - Sa, 21:33

Vor kurzem

habe ich im Radio eine Sendung gehört, in der ein Imker meinte, das Gerede vom Bienensterben sei Quatsch und Panikmache. Bienen würden gezüchtet, man könne Völker kaufen, durch Teilung neue Völker erzeugen. Außerdem wäre der Honigpreis längst explodiert, wenn es ein Bienensterben gäbe. Ich weiß mittlerweile nicht mehr, was richtig ist. Die Einen sagen so, die Anderen so. Und immer mit plausiblen Begründungen. Ebenso ist es beim behaupteten Insektensterben. Nun kann man es sich einfach machen, und Andersmeinende als Insektensterbenleugner diffamieren. Aber ich denke, es gibt auch auf diesem Gebiet nicht nur SchwarzWeiß.

Das Problem ist nur,

auch wenn Bienen gezüchtet werden können, so suchen sie ihre Nahrung immer noch in der Umwelt. Und wenn es dort nur noch Monokulturen gibt, finden selbst die besten gezüchteten Bienen kaum noch Futter. Vom Gift, das sie dabei aufnehmen, muß man noch nicht einmal reden.

Was ich noch anmerken möchte -

im letzten Sommer habe ich sage und schreibe nur einen einzigen Falter gesehen. Nun ist meine Beobachtung sicher kein Beweis, aber es reicht doch für mich, um das mit dem Insektensterben zu glauben, auch wenn man vielleicht die Zahlen etwas nach unten korrigieren könnte.
Jedenfalls muß man sich die Schmetterlinge anscheinend jetzt auch selbst züchten. Das geht ebenso. Es gibt Raupen dafür zu kaufen. Aber normalerweise sollten sich Schmetterlinge von allein fortpflanzen können. Künftig wird es wohl Schmetterlinge dann nur noch in diesen Schmetterlingshäusern zur Besichtigung geben.
Namesi - So, 00:03

Was

deine Erfahrungen angeht, die - wie du selbst sagst - nicht beweiskräftig sind: Meine Erfahrungen sind anders. Nach einer Fahrt von Berlin nach Hamburg und zurück klebten auf der Frontscheibe des Autos dermaßen viele breitgequetschte Insektenleichen (viel mehr als in Vorjahren wie ich glaube), dass ich nun annehmen muss, selbst für das Insektensterben verantwortlich zu sein.

Hm,

in der obigen Talkshow meinten die anwesenden Autofahrer genau das Gegenteil, nämlich daß man kaum noch Insekten auf der Frontscheibe hat. Wer weiß, vielleicht bevorzugen die Insekten besondere Strecken. *gg*
Und wieviele Schmetterlinge hast du im Sommer gesehen?
Namesi - So, 00:20

Nicht

überzeugen ich dich will. Ich selbst nicht überzeugt von irgend etwas bin. Aber senden einen Link ich dir will, obwohl nicht sicher, ob ein Fake er ist:
http://www.rwi-essen.de/unstatistik/70/
(Du darfst mich auslachen, mich, den PseudoYoda)
Namesi - So, 00:20

Nicht

gezählt ich sie habe, die Schmetterlinge.

Ok,

dieser Artikel bezweifelt aber nur die Statistik in Form der Zahl und daß man Statistiken nie vollkommen trauen kann, ist ja wohl klar. Trotzdem ist das Bienensterben schon seit Jahren ein beobachtetes Phänomen und nicht nur eine Wahlkampffalle aus diesem Jahr. Sonst müßte man in dieser Region in China nicht per Hand bestäuben. Und Beispiele wie China und den USA sollten Warnung genug sein, um eben nicht alles nur als Panikmacherei abzutun.

https://www.heise.de/tp/features/Stiller-Tod-warum-Bienen-sterben-3399498.html
Namesi - So, 00:40

Wie

ich schon schrieb, die Einen sagen so, die Anderen so. Argumente hier, Argumente da. Gewissheiten mutieren zur Glaubensfrage. Ich bin überfordert. Weitgehend. Nicht ganz. Hoffe ich.
Namesi - So, 00:41

Bin

müde. Weiche Diskussionen aus. Gehe schlafen. Gute Nacht.

Also ich

fühle mich nicht überfordert, sondern ziemlich gewiß. Ich halte es für relativ unwahrscheinlich, daß uns seit Jahren eine riesige Bienenverschwörungstheorie untergejubelt wird und die Geschichten aus China und den USA nur erfunden sind. Daß aber sowas auch für Wahlkampfzwecke benutzt und dafür noch etwas mehr aufgebauscht wird, das wundert mich nicht. Ist halt nur gefährlich, wenn man es deshalb dann pauschal als Fake abtut.
rosenherz - Mi, 12:56

Oh, was für ein spannendes Thema hier! Bienen und Bienensterben. Oder Insektensterben.

Es gibt Forscher, die über Jahrzehnte die Populationen von Schmetterlingen beobachten und erfassen. Zum Beispiel im Südtiroler Obstbau. Dabei wurde beobachtet, wie sich mit dem Ausweiten des Obstbaues (und des damit verbundenen Pestizideinsatzes, Äpfel werden bis zu 45 mal im Jahr pestizidbehandelt) die Anzahl der Schmetterlinge drastisch reduziert. Und zwar in den angrenzenden Regionen. Das heißt, dort wo vermehrt Pestizide eingesetzt werden, also bei intensivierter Landwirtschaft, verschwinden Schmetterlinge und andere Insekten, und auch die Wildbiene, die ebenso als Bestäuber fungiert, ähnlich der Honbigbiene. Wobei die Wildbiene bereits am 2 Grad Tagestemperatur ausfliegt im Frühjahr, während die Honigbiene erst ab 9 Grad Tagestemperatur ausfliegt. Das wird besonders bedeutsam in jenen Jahren, in denen eine überwiegend kühle Witterung herrscht zur Blütezeit der Obstbäume. Wie beispielsweise 2017. Da gab es über weite Teile Europas Frost bzw. über Wochen Temperaturen ein wenig über Null Grad. Was zur Folge hatte: Rund 80 % Ernteausfall an Äpfeln in europäischen Ländern wie Deutschland, Österreich, Italien, Polen, Tschechien, Slowakei. Worauf die Supermärkte die ungebrochene Nachfrage nach Äpfeln mit Importen aus Asien, Südafrika und Südamerika, Neuseeland und Ägypten zu decken suchten (juhu, es lebe das Transportwesen). Auch in meiner Gegend, Voralpengebiet, betraf uns der Ernteausfall. Es gibt überhaupt keine Zwetschken weit und breit, und wenig Äpfel. Viel zu wenig, um damit den Familienbedarf über den Winter decken zu können. Ich helfe mir über den Mangel hinweg, in dem ich (in weiser Vorraussicht) viel Beerenobst geerntet und eingefroren habe, das ich über Winter nutzen kann.

Was eigenes Beobachten und Wahrnehmen betrifft, wie weit Schmetterlinge, Bienen und andere Insekten zurückgegangen sind: Vor zehn Jahren noch summte es um die Zeit der Obstblüte in den Bäumen. Das konnte ich deutlich vernehmen - und sehen. Aber das habe ich seit Jahren hier nicht mehr gehört. Nur noch einzelne Wildbienen lassen sich beobachten, doch vom großen Summen sind wir weit entfernt. Das könnte man als Einzelerfahrung betrachten. Doch ich pflege Kontakte mit Bäuerinnen und Bauern aus ganz Österreich. Daher ist mir bekannt, solche Beobachtung machen auch andere im gesamten Bundesgebiet.

Zurück zu den Forschungen, zu den Pestizidrückständen und deren Folgen. Auswertungen haben ergeben, dort wo intensive Landwirtschaft und intensiver Gartenbau betrieben wird, dort nimmt die Artenvielfalt rasant ab und das Insektensterben rasant zu. Was einerseits mit dem direkten Gifteinsatz zu tun hat und anderseits mit dem Verschwinden der pflanzlichen Vielfalt am Feld (zB. durch häufigeres Mähen, das zu einem eiweißreichen Futter führt, das wiederum ertragssteigernd wirkt bei Milch und Fleisch, womit die Bauern das Dilemma sinkender Erlöse und zugleich zunehmender Produktionskosten auszugleichen suchen). Blütenpflanzen und Kräuter, die also die Nahrung und den Lebensraum für die Insekten darstellen, verschwinden. Sie können weder blühen, noch aussamen, da sie bereits vor Blühbeginn gemäht werden. - Dank Ausbildung in landwirtschaftlichen Hoch- und Fachschulen. Wer seine Wiesen erst mäht, wenn sie blühen oder abgeblüht sind, wie das bis vor Jahrzehnten noch üblich war, wird als rückständig und unbelehrbar verhöhnt und diffamiert. Außer im Biolandbau. Hier hat bereits ein Umdenken stattgefunden. Aber das ist eine Frage der persönlichen Widerstandskraft gegen die Angriffe der herrschenden Agrarpolitiker und Agrarelite, die den Biolandbau als Feigenblatt vor sich herschiebt.

Intelligent genug sein? Haarsträubend, was in den landwirtschaftlichen Fachzeitschriften an Argumenten angeführt wurde (und wird), wieso die konventionelle Landwirtschaft das Glyphosat brauche und welche Folgen ein Verbot (Chemie im Ackerbau: 796 verschiedene Mittel sind nach dem Pflanzenschutzmittelregiester zugelassen) bedeute. Da wird u. a. allen ernstes damit argumentiert, die Artenvielfalt auf den Äckern würde ohne Glyphosat verloren gehen, weil bestimmte Kulturen ohne diesem nicht mehr angebaut werden könnten.

Ein hochinteressanter Lösungsansatz kommt von der öst. Bundesanstalt für Bergbauernfragen: Pestizidfreie Regionen schaffen und ausweiten. Das Insektensterben betrifft als essende Person jeden Menschen. Als solche kann jede Person auch was tun für die Insektenwelt. Ich sehe es so: Ob in der Stadt oder am Land, im Balkonkistchen, beim Einkaufen, im eigenen Garten, bei der Wahl des Urlaubsortes, im sozialen Engagement, in der Freizeit ... überall kann Bewusstsein geschaffen und können Inseln geschaffen werden, zB für Wildbienen, wo sie Lebensraum und Nahrung finden können.

Hallo Rosenherz,

danke für den ausführlichen Kommentar und deine Beobachtungen dazu. Ich kann ja nur über meine Beobachtungen aus der Stadt sprechen. Aber weil es immer mehr Menschen gibt wie du und ich, sogar unter Bauern, die eben nicht alles glauben, was Großkonzerne, Fachzeitschriften oder Politiker behaupten, sondern sehen, daß da etwas falsch läuft und altes Wissen um die Zusammenhänge in der Natur verlorengeht, habe ich halt doch noch Hoffnung, daß die Menschheit irgendwann die Kurve kriegt und einen besseren Weg für die Umwelt wählt.

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