Das verlorene Schriftwerk
Wenn du singst,
öffnen sich Höllen wie Himmel,
Gräber zerspringen
und bleiches Gebein
leuchtet im Lauf der Dinge
Wenn deine Stimme bricht,
und du fortfliegst,
läßt du zurück ein Schlachtfeld
aus offenen Herzen,
schwarze Amsel
Ist der Ruf erst ruiniert,
reimt es sich ganz ungeniert -
Ach nein, Reime sind es ja nicht
Die Moderation des Sichtbaren
mit der Freiheit des Unsichtbaren
Das Summen im eigenen Ohr
als Klang des Universums
In Stimmen schreiben
In Zungen hören
in Mündern sein
Die Zeit verinnt,
es strömt der Bach
und rauscht der Fluß
Wer könnte schwimmen
schon gegen den Strom,
wenn er es wollte?
Vielleicht ist es das Meer,
dem meine letzten Worte
gehören werden.
Ein Girren und Gurren
unter den Zinnen,
ein Flittern und Flattern
unter den Himmeln,
die Tauben, sie kamen,
Zweiglein im Schnabel
Konzertdirigenten
Ein Trillern und Trällern,
der Krokus in Tracht,
ein Sirren und Surren,
im Frühlingsgefiedel -
was für ein Schnurren!
Ein Räuspern der Knospen
in den luftigen Rängen
Ich bin 'ne alte Frau
mit 'nem jungen Leib,
werde täglich neu geboren
Ich muß nicht gerettet werden
Bitte lassen Sie mich liegen
und in den Himmel blicken
Gehen Sie weiter,
und grüßen Sie Gott
Das Leben ist gut zu mir,
es läßt mich staunen
über die Wunder meines Seins
Spiegelwelten nur für mich
Universen, die sich atmen
Viel gesehen, doch nie genug
Viel gedacht, doch nie zu Ende
Für die Rettungen,
da gibt es andere Instanzen,
sie arbeiten unsichtbar
mit leisen Stimmen
Der Mensch, der das Meer
in meinem Innern stillt,
die Wogen glättet
Der Mensch, der die Uhren
in mir anhält,
der die grauen Tage
mit Rot beblüht
Der Mensch, der das Handkleid
von meinen Fingern pflückt
und den Polarstern
mir hineinlegt
Der Mensch, der mich sieht
durch Winterfenster
und Herzen dort hineinhaucht
Dieser Mensch
könnte ich sein
In der Armbeuge der Nacht
ruhten wir,
bedeckten uns
mit ihren Wimpern
Weltraumfahrer
im eigenen Kosmos,
im Herzen Sternentore
so weit
Bin ich im Leben angekommen?
Hinter fernen Träumen lag es,
die ich durchwandert bin
Jetzt bin ich hier,
festen Fußes auf der Erde
und weiß doch,
daß einst auch dies
nur mehr Traum sein wird
Bin ich Mensch geworden?
Ein halbes Leben brauchte es
Nie mehr verstellen
für irgendwen
Ich bezahlte und zahle noch,
doch fordere nun dazu,
fordere den Bedarf
aus meiner Unbedarftheit
Bedürfnisloser Demut Jäger,
unsichtbare Eulen und ihr Schein
fliehen ins Dunkel zurück
Ist doch wahre Demut der Mut,
dem eigenen Weg zu vertrauen
Der Reichstag in der Nacht
die Lichter aus
dem deutschen Volke
auf dass es schlafen möge
eines Morgens jedoch
ist es erwacht
Der Reichstag in der Nacht
ein Farbenrausch
wellt Spreewasser
fällt geordnet
in die Vergangenheit
abseits
Der Reichstag in der Nacht
in leeren Straßen
weiße Möwen
ruhen am Wegesrand
so auch die Geister
der Gefallenen
Der Reichstag in der Nacht
aus Geschichte
keimt die Zukunft
doch verdrängt die Lebenden
stille Ruhestörer
nächtens
Der Reichstag in der Nacht
um den Schlaf
hat er mich gebracht
aber denk ich an
Deutschland
schlafe ich gut
All die Wunder pflücken,
welche noch möglich sind
Wunschlos ist nicht glücklich,
denn wachsen sollen Samen,
wie das Leben es gedacht
In ewigen Teetälern
dampft schon der Herbst
aus blassen Henkeltassen
Alte Prophezeiungen
fallen reif vom Himmel -
wie ungläubig war ich,
als sie über mir schwebten!
Ich bin mir selbst das Wunder,
wage so das Wünschen neu