Das obere Foto ist extra für meine spendablen Großeltern gestellt worden, die mich regelmäßig zu Weihnachten mit großzügigen Puppengeschenken bedachten, welche mir von den Eltern übergeben wurden. Eine der Puppen trägt ein echtes 70iger-Jahre-Outfit. Wie man sieht, ist der Pony sorgfältig zur Seite gekämmt worden, damit ich auch ordentlich aussehe. Die Puppen landeten alle auf meinem Bett, wo sie mehr oder weniger einstaubten. Dies störte mich nicht, dagegen aber schon, wenn Besuch da war, in mein Zimmer schaute und dann solche doofen Fragen stellte wie: "Du hast aber viele Puppen. Spielst du denn mit denen auch allen?"
Im unteren Foto ist der Pony wieder ins Gesicht gefallen und die Puppen sind achtlos hinter mich geworfen. Stattdessen beschäftige ich mich mit dem neuen Baukasten.
Witzigerweise war mein größter Spielzeugwunsch als Kind, der mir aber nie gewährt wurde, eine große knallorangene Registrierkasse mit richtigen Zahlentasten, in der man sogar echtes Geld aufbewahren konnte und die mehr funktionelle Extras hatte, als meine kleine Kaufmannsladenkasse. Vermutlich hatten meine Eltern recht, wenn sie dachten, mich würde es bald langweilen, mit der Kasse herumzuklimpern. Vielleicht hätte ich aber auch ungeahnte Fähigkeiten im Geldeinnehmen entwickelt.
Das unförmige Ding dort unter der Decke, das bin ich.
Ich bin nämlich auf die geniale Idee gekommen, mir mit einem weitmaschigen Plaid ein Lesezelt zu bauen. Einfach das Plaid unter Füße und Kopf klemmen. Darunter ist es hell genug zum Lesen und wird kuschelig warm, so daß selbst die Hände und das Gesicht nicht frieren, die sonst immer hervorschauen und bei diesem Mistwetter schnell klamm werden. Und nach drinnen möchte ich nicht, denn dort bin ich bald wieder lange genug. Außerdem ist es im Zimmer sogar weniger warm als in meinem Lesezelt, da ich keine Lust habe, schon die Heizung aufzudrehen.
Wenn ich so unter dem Plaid hocke, kommen mir sofort Erinnerungen an die Regentage meiner Kindheit. Es gab Zeiten, da war ich nur zum Essen und Schlafen in der Wohnung und ansonsten den ganzen Tag mit meinen Spielfreunden draußen. Und Regen hat uns damals nicht abgeschreckt. Wir legten Decken und Planen über das Klettergerüst, schoben ein Brett zwischen die Sprossen, das wir "unsere Couch" nannten, bauten uns so eine Behausung, in welcher wir hockten und uns Witze oder Gruselgeschichten erzählten. Manchmal hockten wir auch im Indianerzelt, welches M. gehörte, und das wir ebenfalls mit Planen abdeckten. Doch wenn es richtig schlimm mit dem Regen wurde, suchten wir Unterschlupf in einem der Hausflure. Es gab drei davon. Der vordere Hausflur war eher ungünstig, da relativ klein und von dort gingen auch die meisten Wohnungstüren ab, weshalb sich die Mieter durch lärmende Kinder im Flur leichter belästigt fühlten. Dann gab es einen Durchgang zum Hinterhof, der war groß wie ein Tanzsaal und mit ebenso glattem Steinparkett, wo man die schönsten Rutschpartien und sogar Wettrennen veranstalten konnte. Auch das Fangespiel durch beide Hausflure hindurch, immer im Kreis über Hinterhof, Hofeinfahrt, Straße und wieder vorderen Eingang war sehr beliebt, aber sehr laut, weshalb es nie lange dauerte bevor der Hausmeister kam und uns ermahnte, nicht so viel Krach zu machen. Einmal, mitten im schönsten Fangespiel, lief ich direkt gegen seinen Bauch, als er gerade hinter der Tür zum Zwischenflur stand. Auf frischer Tat ertappt, sozusagen. Doch am schönsten war es eigentlich immer im dritten Hausflur des Hinterhauses. Dieser hatte ebenfalls ein kleines, besonders glattes Steinparkett, für Eislaufimitationen bestens geeignet, und da dort nur zur linken Seite Wohnungstüren abgingen, davon zwei als Hinterausgänge, zur rechten Seite dagegen nur Gemeinderäume, in denen sich in der Regel niemand befand, beschwerte sich hier auch seltener jemand. Je höher man kam, um so schummriger wurde es, und auf dem letzten Treppenabsatz vor dem Dachboden gab es gar kein richtiges Fenster mehr, sondern nur noch ein rundes "Bullauge". Wenn man von hier auf den Hof hinuntersah, erschien einem die Welt fast unwirklich, so weit entfernt hinter dem dicken runden Glas. Direkt unter dem Bullauge stand eine alte Truhe, in welcher immer irgendwelche alten Kleider herumlagen. Wir verkleideten uns damit zum Beispiel als Piraten und der Treppenabsatz war unser Schiff. Durch das Bullauge hindurch beobachteten wir feindliche Annäherungen oder wir lieferten uns Fechtkämpfe, mit allem was uns gerade in die Hände fiel. Manchmal war der letzte obere Absatz vor der Dachbodentür aber auch eine Bühne und wir die Schlagerstars. Jeder war an der Reihe und der Rest spielte Publikum. Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, daß ich mich in dieser Zeit jemals an einem Regentag gelangweilt hätte, und das völlig ohne Fernseher und Internet.
Ich betreute einmal einen Klienten, der hatte blonde, halblange und echte Engelslocken, blaue Augen und hieß mit Nachnamen Seraphin. Wenn ich nach der Arbeit in der Kaufhalle einkaufte und er draußen mit anderen Trinkern herumlungerte, baggerte er mich immer an und wollte meine Taschen tragen. Mit fünfunddreißig Jahren hatte er sich endgültig über den Jordan getrunken. Würde ich seine Person in einem Roman beschreiben, würde jeder denken, ich hätte mir das ausgedacht, oder schlimmer, ich hätte von denen abgekupfert, die dieses "Klischee" bereits vor mir verwendeten.
habe ich es gehasst, Aufsätze zu schreiben. Und ich hasse es heute noch, über Dinge zu schreiben, über die ich nicht schreiben möchte. Insbesondere, wenn diese bereits anderswo geschrieben worden sind. Als Journalist wäre ich eine Katastrophe. Zum Glück hat das auch meine Mutter als Redakteurin rechtzeitig erkannt, wenn ich quengelnd und völlig unausstehlich über meinen Hausaufsätzen saß. Dafür bin ich ihr sehr dankbar. Ebenfalls sehr dankbar bin ich meinem Vater, daß er mich nicht gezwungen hat, Pastorin zu werden. Predigen hasse ich nämlich ebenso.
Als ich heute im Büro auf den Fahrstuhl wartete, standen zwei Klienten vor mir, die sich angeregt über ihre Schufa-einträge unterhielten. Da es ewig dauerte bis der Fahrstuhl kam, blickte ich schnell an dem einen vorbei auf die Anzeige, um zu sehen, ob sie leuchtet. Das war der Auslöser dafür, dass sie mich inmitten ihres Gespräches auf einmal wahrnahmen und einer von den beiden nun einen Flirtvorstoß wagte, in dem er anfing, etwas von meinen Augen zu faseln. Unter anderem sagte er, dass ich Augen wie Terence Hill hätte. Na ja, mit einem gewissen Pegel Alkohol im Blut wird es wahrscheinlich schwierig, blau von grün zu unterscheiden. Weil er auch seinem Kumpel gleich die großartige Entdeckung meiner Augen mitteilen mußte, starrten mich schließlich beide während des Fahrstuhlfahrens an und redeten über meine Augen, während ich vor mich hin grinste und bei mir dachte: Ich warte auf den Tag, an dem jemand zu mir sagt, ich sehe aus wie Bud Spencer.
Die Stille ist fort und auch die Weite. Eine blasse Erinnerung an einen Frieden, der meine Welt wieder geradegerückt hat. Die Sehnsucht danach bleibt. Die Sehnsucht nach allumfassender Liebe und dem Ruhen in dem was ist. Das Wollen ist stark. Zu stark. Der Wunsch nichts anderes mehr zu wollen. Dabei ist es doch gerade dieses Wollen, das die Einheit wieder zerstört. Wie schwer ist es doch, still zu werden, ohne etwas zu wollen, zu erwarten, zu erdenken. Und um wieviel schwerer ist es doch, still zu bleiben, wenn um einen herum die inneren wie äußeren Machtkämpfe toben. Manchmal ist es anscheinend nötig, daß der Verstand sich endlos um sich selbst dreht, um zu begreifen, daß dort nichts ist, das er begreifen könnte. Wirklich verstehen kann nur das Herz. Was bleibt ist die Gewißheit, daß es etwas gibt, das die Antwort auf alle Fragen ist, rein, klar und ursprünglich, und wodurch alles unauflöslich miteinander verbunden ist.
Als Kind bin ich, schon aufgrund meiner Herkunft, regelmäßig in die Christenlehre gegangen. Dies war zu den damaligen DDR-Zeiten relativ ungewöhnlich. Meist gab es an einer Schule nur sehr wenige Kinder, welche dies taten und meist waren sie allgemein bekannt, obwohl man von seinen Eltern immer dringenst ermahnt wurde, nicht zu viel über solche Aktivitäten an der Schule zu erzählen. Schließlich wollte man sich möglichst nicht ins Kreuzfeuer für gesellschaftliche Repressalien begeben. Von diesen eventuellen Repressalien hörte ich zwar von meinen Eltern, glücklicherweise erlebte ich sie selbst aber nie, zumindest nicht bewußt. Sogar zum Abitur wurde ich zugelassen, was in der Regel nur für 2-3 Schüler einer Klasse möglich war, allerdings erst auf Widerspruch meines Vaters hin. Natürlich redete man trotzdem, die anderen Kinder waren ja immer neugierig und wollten wissen, was wir in der Christenlehre so tun. Wir saßen dort in einem kleinen Grüppchen um den Tisch herum, bekamen Geschichten aus der Bibel vorgelesen, spielten lustige Spiele (auch welche aus dem Westen, was besonders spannend für uns war) oder sangen Lieder wie "Geh aus mein Herz und suche Freud". Es gab weder Hausaufgaben, zumindest nur ganz selten mal was auswendigzulernen, wie das Glaubensbekenntnis, noch war es sehr anstrengend. Es war eigentlich der einzige Unterricht, bis auf den Kunst- und Englischunterricht, in den ich gerne gegangen bin. Auch lernte es sich in dieser kleinen Gruppe viel gemütlicher, als in den 25-30köpfigen Schulklassen. Außerdem hatte ich noch den großen Vorteil, um den man mich beneidete, nur von unserer Wohnung aus eine Treppe höher bis in den Gemeinderaum zu müssen. Nach der Christenlehrestunde schloß sich oft ein gemeinsames Spielen auf dem Hof an. Unsere Katechetin war nett, rundlich und selten aus der Ruhe zu bringen. Wie ich gehört habe, ist sie bereits verstorben. Ich erinnere mich daran, daß wir einmal gemeinsam am Saalfenster standen, auf die anderen warteten und ich ihr von oben meine damals angelachte Katze zeigte (während meiner Kindheit lockte ich ständig Katzen an und meine Eltern hielten nicht lange stand, die Wohnung katzenfrei zu halten), die gerade unten herum streunte. Sie fragte mich, ob sie einen Namen hätte und als ich verneinte, erzählte sie etwas von einem Kater Kasimir. Dieser Moment ist fest in meinem Gedächtnis verankert. Die Hofkatze, die wir von oben betrachtet hatten, wurde bald zusammen mit ihren Jungen abgeholt. Meine Mutter erzählt heute noch, ich hätte am Fenster gestanden und Rotz und Wasser geheult. Ich selbst kann mich daran nicht erinnern, manchmal frage ich mich, ob das nicht eine zu späterem Leben erwachte Dichtung meiner Mutter ist, aber irgendwie muß ich es ja geschafft haben, sie zu erweichen. Kurz bevor die bösen Männer kommen sollten, gab sie mir einen Schubs und sagte im rüden Tonfall "Hol dir eine!" Ich verstand erst nicht. "Los! Hol dir eine Katze! Schnell!" Ich preschte die Treppen hinunter wie ein Wirbelwind, kroch atemlos hinter die Bretter, wo das Katzennest war und griff das erste beste murkelige kleine Fellbündel, was mir vor die Füße taumelte. Es tat mir weh, es von den anderen wegzureißen, aber zumindest würde es gerettet sein. Fest hielt ich es an die Brust gedrückt, als ich die Treppen wieder herauf stürmte, um es in Sicherheit zu bringen. Am nächsten Tag besorgte meine Mutter ein Katzenklo und einen Termin beim Tierarzt. Sie sagt heute, sie dachte an diesem Tag, ich würde es ihr nie verzeihen, wenn man mir alle Katzen wegnehmen würde. Ich will nicht sagen, daß die kleine Katze einen Glücksstern hatte, als genau sie in meine Fänge geriet. Sie paßte in einen Handteller, war noch so winzig und klein und völlig ohne Mutter. Die ersten Wochen fütterte ich sie mit einem mit Milch gefülltem Fläschchen und sie schien völlig verloren, wenn sie sich auf der Matratze aus meinem Puppenwagen, die ich für sie geopfert hatte, in eine Ecke zusammenrollte. Als ich gefragt wurde, wie sie heißen soll, dachte ich sofort an den Moment im Gemeinderaum und nannte sie Kasimira. Mein Vater fand den Namen total blöd. "Was soll das denn für ein Name sein? Das ist doch gar kein richtiger Name. Sowas Doofes!" Er nannte sie deshalb auch nur "Mulle", bei meiner Mutter hieß sie "Mieze" oder "Miezchen". Ich war die einzige, die sie wirklich Kasimira nannte, allerdings kürzte ich oft auf "Kasi" ab, nicht zu verwechseln mit "Hasi". So ist das, wenn man ignorante Eltern hat. Für mich ist das noch heute ein völlig normaler Name. Warum ich das alles schreibe? Weil ich heute einen Klienten bekam, der Kasimir heißt.
Jugendherberge auf verschneitem Berg. Verschneite einsame Höfe zwischen stillweißen Bäumen. Meine Freundin, ich und vier Doppelstockbetten für uns alleine. Jede Nacht ein anderes Bett, tagsüber, neben rasanten Schlittenabfahrten im menschenleeren Wald, Orgien mit Jojos, auswendig gelernten Aha-Liedern und Sahnetorte aus der heimischen Bäckerei. Dazu drei Kilometer durch den Schnee hinunter ins Dorf stapfen. Bei mindestens sechs Kilometer Fußmarsch oder mehr und klirrender Kälte braucht man schließlich Energie, viel Energie. Kichern und Lachen über unsere geheimen Sahneentgleisungen. Die Eltern wissen ja nicht, wovon wir uns während der Ferien ernähren. Die sind weit, weit weg im fernen Berlin. Und kein Wort wird jemals über unsere Lippen kommen.
Ich glaube, ich habe das schon einmal geschrieben, aber ich finde, mein Ahn sieht aus wie Nosferatu. Er war übrigens Arbeiter in einer optischen Anstalt (ja, ja, das sagen sie alle), neben dem Bäckerhandwerk (von dergleichen Fähigkeiten aber nichts auf mich übergesprungen ist) das traditionelle Gewerbe unserer Familie. Inwieweit dies damit zusammen hängt, daß die meisten auch dicke Brillen tragen, wage ich nicht zu beurteilen.
Ich mag Jim Morrison nicht besonders. Ehrlich jetzt. Jeder denkt, wenn man gerne The Doors hört, müsse man Jim Morrison mögen. Das stimmt nicht. Zum Beispiel finde ich ihn nicht besonders gutaussehend und attraktiv (ok, bis auf die Hüften, als er noch schlank war - aber das Gesicht ist doch wirklich gruselig). Vielleicht habe ich aber auch nur so ein gespaltenes Verhältnis zu ihm, weil ich in meinen ersten vier Schuljahren einen Mitschüler hatte, der genauso wie ein kleiner Jim Morrison aussah. Er hatte dieselben Schlupfaugen, dasselbe flache Gesicht und denselben Trotzmund. Außerdem auch noch genau die gleiche Frisur, was die Eltern wohl absichtlich so wollten. Er war ein Rabauke wie Jim Morrison, nur an Intelligenz mangelte es ihm völlig (ganz im Gegensatz zum Vorbild). Ich mag zum zweiten die Stimme und den Gesang von Jim Morrison nicht besonders, sondern war schon immer der Meinung, daß viele der Doors-Songs instrumental sehr gut kommen, weshalb ich mich meistens mehr auf die Begleitung konzentriere. Das ist ungefähr so wie bei den Wagner-Opern, nur mit dem Unterschied, daß bei den Doors der Gesang die Songs nicht sehr viel schlechter macht und man das halt wegen der Lyrics akzeptiert. Allerdings gibt es auch hier eine einzige Ausnahme, nämlich diese paar Zeilen "When the music's over, when the music's over, yeeeeaaaaahhh....turn out the lights, turn out the lights", von ihm gesungen mit diesem Timbre wie tropfender zähflüssiger Sirup in der Stimme, die ich immer wieder hören könnte.